Stillstand mit Sprengkraft
Von Lars Pieck
Mitten im zweitlängsten Regierungsstillstand der US-Geschichte spüren Millionen Amerikaner die Folgen: Ausbleibende Gehaltszahlungen, steigende Krankenversicherungsbeiträge und verzögerte Lebensmittelhilfen belasten Haushalte im ganzen Land. Präsident Donald Trump drängt den Senat, die Filibusterregel abzuschaffen, um die blockierten Bundesbehörden wieder zu öffnen. Am Sonnabend verschärften sich die Engpässe: Zahlungen im landesweiten Lebensmittelhilfeprogramm SNAP verzögern sich, und Millionen müssen mit deutlich höheren Versicherungsbeiträgen rechnen.
Am Freitag entschieden zwei Bundesrichter fast gleichzeitig, dass die Trump-Regierung das Lebensmittelhilfeprogramm SNAP während des Shutdowns weiterhin aus Notfallreserven finanzieren muss. Das Landwirtschaftsministerium hatte ursprünglich geplant, die Auszahlungen ab dem 1. November einzufrieren. US-Finanzminister Scott Bessent gab am Sonntag bekannt, keine Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen. SNAP versorgt etwa jeden achten Amerikaner und kostet rund acht Milliarden US-Dollar pro Monat. Mehrere Bundesstaaten verhängten wegen der ausbleibenden Lebensmittelhilfen bereits den Ausnahmezustand.
Gleichzeitig warten rund sechs Millionen Menschen auf Heizkostenzuschüsse, deren Ausfall in kalten Regionen lebensbedrohlich sein kann. Hunderttausende zivile Bundesangestellte erhalten kein Gehalt – bis zum 1. Dezember könnten 4,5 Millionen Schecks im Wert von 21 Milliarden US-Dollar ausfallen. Trump droht zudem mit gekürzten Zahlungen und Stellenabbau. Auch Fluglotsen arbeiten unbezahlt, melden sich krank oder übernehmen Zweitjobs, was zu immer mehr landesweiten Flugverspätungen führt. US-Verkehrsminister Sean Duffy warnte, dass sich die Störungen im Flugsystem weiter verschärfen könnten.
Am Sonnabend begann die jährliche Anmeldefrist für die Krankenversicherung nach dem Affordable Care Act – ausgerechnet inmitten steigender Beiträge. Erhöhte Steuergutschriften, die vielen Versicherten helfen, die Kosten zu tragen, laufen im nächsten Jahr aus. Die Demokraten haben die Verlängerung dieser Gutschriften zum zentralen Punkt ihres Shutdown-Kampfes gemacht und weigern sich, dem Gesetz zur Finanzierung der Regierung zuzustimmen, bis die Republikaner bereit sind, die Gutschriften zu erneuern. In Washington ist eine Einigung derzeit nicht absehbar – beide Parteien beharren auf ihren Positionen.
Der Shutdown ist bereits der zweitlängste der Geschichte und geht in den zweiten Monat. Trump forderte auf »Truth Social« die Nutzung der »nuklearen Option« – die Abschaffung der Filibusterregel, die Abstimmungen im Senat verzögert, da für die meisten Gesetze 60 von 100 Stimmen nötig sind. Dadurch behalten die Demokraten trotz der republikanischen Mehrheit von 53 Sitzen Einfluss. Zwar könnten die Republikaner die Regel per einfacher Mehrheit kippen, viele lehnten das bisher jedoch ab, aus Sorge, dass dies den Demokraten bei einem Machtwechsel zugute kommen könnte.
Trump erklärte, dies würde den »lächerlichen, das Land zerstörenden Shutdown« sofort beenden. Dennoch verließen die meisten Senatoren am Freitag Washington ohne Fortschritte – es bleibt unklar, ob genug Unterstützung für die »nukleare Option« existiert. Zwar wurden Teile des Filibusters bereits eingeschränkt, und einige Nominierungen benötigen nur eine einfache Mehrheit, doch die meisten Gesetze unterliegen weiterhin der 60-Stimmen-Schwelle. Trump bekräftigte am Sonnabend seine Forderung mit den Worten: »Seid nicht schwach und dumm. Kämpft, kämpft, kämpft! Gewinnt, gewinnt, gewinnt!« und warnte: »Republikaner, ihr werdet den Tag bereuen, an dem ihr die Filibusterregelung nicht beendet habt!!!«
In der kommenden Woche steuert der Shutdown auf einen kritischen Meilenstein zu: Bleibt eine Einigung aus, wird er zum längsten Stillstand in der US-Geschichte. Ein möglicher Wendepunkt könnte nach den Zwischenwahlen am Dienstag folgen – darunter die Bürgermeisterwahl in New York City sowie die Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey, die die politische Ausgangslage beider Parteien neu bestimmen könnten. Die Unsicherheit bleibt groß.
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