Was sagen Sie denen, die überlegen, die AfD zu wählen?
Von Gitta Düperthal
Mehrfach haben Protestierende in der Vergangenheit Zufahrtswege vor AfD-Parteitagen und -Veranstaltungen blockiert. Das führte zwar zu Verzögerungen, aber noch nie zur Absage. Rechnen Sie für Ihre Aktionen gegen die Neugründung der AfD-Jugend am 29. und 30. November in Gießen mit einem anderen Ausgang?
In Riesa haben wir es mit 15.000 Menschen geschafft, den AfD-Parteitag über zwei Stunden aufzuhalten. Das war eine große Frustration für die AfD und ein großer Erfolg für den Antifaschismus. Jetzt in Gießen werden deutlich mehr Aktivistinnen und Aktivisten blockieren. Wir mobilisieren bundesweit. Das Spektrum reicht von Klima- und Umweltaktivistinnen bis zur Gewerkschaftsbasis. Wir meinen es ernst: Die Neugründung der AfD-Parteijugend soll verhindert werden.
Was ist Ihnen zur Struktur des neuen AfD-Jugendverbands bekannt?
Dessen Akteure sind nicht vom Himmel gefallen, sondern mit extrem rechten Kadern und der identitären Bewegung verknüpft. Viele von ihnen waren schon zuvor bei der Parteijugend »Junge Alternative«, die sich im Frühjahr selbst auflöste, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz den Verein im April 2023 als »gesichert rechtsex-tremistisch« einstufte. Die Auflösung war also nur ein taktischer Schachzug, um einem Verbot zuvorzukommen. Von der angeblichen Mäßigung ist keine Rede. Es wird wieder straff in die nationalistisch-völkische Richtung gehen. Sie lehnen sich bewusst an Ästhetik und Symbolik der NSDAP an.
Ist es zu begrüßen, dass die Rechtsaußenpartei ihre Jugendorganisation enger an sich binden will?
Nein. Die AfD ist eine faschistische Partei, die verboten gehört – also darf es auch keinen Jugendverband geben. Bei dessen Neugründung aber geht es einzig darum, die Anbindung an die Partei zu suchen, weil so ein Verbot nicht möglich sein wird, ohne die Partei selbst zu verbieten. Dafür gibt es jedoch höhere Hürden als bei einer Parteijugend, die ein eigener Verein ist.
Als möglicher neuer Bundesvorsitzender bringt sich der 28 Jahre alte Brandenburger Jean-Pascal Hohm in Stellung. Die neue Parteijugend soll »Generation Deutschland« heißen. Die Mitgliederzahl liegt nach eigenen Angaben bei rund 1.700 Personen. Wie ist das einzuordnen?
Hohm ist inhaltlich ganz rechts außen, versteckt sich aber hinter geschliffener Rhetorik. Intern nennt man sich Höcke-Jugend: HJ, die Abkürzung, die – welch Zufall – auch für die Hitlerjugend stand. Das Logo erinnert an das Adleremblem aus Nazizeiten. All das ist so gewollt.
Angesichts einer CDU und deren Jugendorganisation, die immer weiter nach rechts abdriften: Für wie gefährlich schätzen Sie im Vergleich dazu die Neugründung der AfD-Jugend ein?
Die Übergänge sind fließend. Großen Teilen der CDU und der Jungen Union geht es ebenfalls darum, das Feindbild Migration zu etablieren. Genau wie die AfD diffamieren sie Menschen, die Bürgergeld beziehen, nur um nicht über die tatsächlichen Gründe der sozialen Kürzungen reden zu müssen: nämlich die Förderung von Großkonzernen und die Militarisierung der Gesellschaft.
Was sagen Sie Menschen, die aufgrund von sozialen und ökonomischen Krisenfolgen überlegen, die AfD zu wählen?
Auch die AfD macht Politik für Reiche, will den Spitzensteuersatz senken, die Erbschaftsteuer abschaffen und Großunternehmen noch mehr Profite ermöglichen. Wir planen unsere Proteste gegen die Neugründung der faschistischen Parteijugend mit allen, die unsere Werte teilen: Frieden, soziale Gerechtigkeit, bezahlbare Wohnungen, Politik für eine nachhaltige Welt, die den Klimakollaps verhindern kann, Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung. Wir wollen gleiche Rechte für alle: egal wo du herkommst, wie du aussiehst und wen du liebst. Am 9. November treffen sich etwa 700 Aktive bundesweit in der Kongresshalle Gießen, um die Proteste zu planen. Veranstalterin der Aktionskonferenz »Gedenken heißt Handeln« ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Rieka Becker ist Sprecherin des Aktionsbündnisses »Widersetzen«
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