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Aus: Ausgabe vom 03.11.2025, Seite 4 / Inland
Rechtsruck

Der blaue Elefant im Raum

Sachsen-Anhalt: CDU-Delegierte wählen Minister zum Landesschef. Debatte über Umgang mit AfD
Von Kristian Stemmler
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Tritt Rufen nach gelockertem Umgang mit der Konkurrenz von Rechtsaußen entgegen: Sven Schulze im Bundestag (17.10.2025)

Die Frage des Umgangs mit der AfD wird für die CDU-Spitzen angesichts jüngster Umfragewerte und Widerworten aus der Kommunalpolitik immer dringender. Auch auf der Landesdelegiertenversammlung der CDU Sachsen-Anhalt am Wochenende in Oschersleben war sie ein zentrales Thema. Gut zehn Monate vor der Landtagswahl in dem Bundesland wählten die 99 Delegierten mit 91 Prozent ihren Landeschef Sven Schulze, auch Wirtschaftsminister des Landes, zum Spitzenkandidaten. Der setzte in seiner Rede auf Zweckoptimismus. »Wir werden diese Wahl gewinnen«, rief Schulze aus.

Nach einem Sieg der Union bei der Landtagswahl am 6. September 2026 sieht es allerdings nicht aus. In aktuellen Umfragen liegt die AfD bei 39 Prozent, die CDU folgt in weitem Abstand mit 27 Prozent. Auf diese schwierige Ausgangslage ging Schulze aber nicht ein, gab sich lieber lokalpatriotisch: »Das ist meine Heimat, das ist mein Sachsen-Anhalt. Das wird nicht ein Experimentierfeld für irgend jemanden.« Die AfD kritisierte der Minister mit Blick auf das Agieren der Partei im Landtag mit den Worten, diese habe »nichts auf der Kirsche – die können es nicht«.

Konkreter war der CDU-Landeschef in einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung vom Donnerstag geworden. Das Bundesland werde »fast unregierbar« werden, wenn die Wahl so ausfalle, wie es die aktuellen Umfragen aussagten, erklärte Schulze. Die CDU werde aber weder mit der AfD noch mit der Linkspartei eine Regierung bilden. Schulze verwies auf die Minderheitsregierungen in Thüringen und Sachsen. Das seien Beispiele dafür, »dass es funktionieren kann, Wege zu finden«. In dem Interview hatte Schulze auch demonstriert, wie er der AfD Wähler abspenstig machen will – offenbar mit Vorstößen im Stile der Rechtsaußenpartei. »Es soll in ganz Sachsen-Anhalt eine Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit für arbeitsfähige Asylbewerber geben«, sagte er. Das helfe »diesen Menschen auch, in der Gemeinschaft akzeptiert zu werden«. Zur Umsetzung sei der CDU-Wirtschaftsminister schon mit dem Landkreistag in Gesprächen.

Dem hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) blieb es vorbehalten, die Öffentlichkeit auf eine zumindest punktuelle Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD auf Länderebene vorzubereiten. In einem Interview mit dem zum Springer-Konzern gehörenden Portal Politico erklärte er, angesichts des Aufschwungs der AfD seien Minderheitsregierungen in diesen Ländern ein realistisches Szenario. Man werde in einer Situation sein, »wo wir Minderheitsregierungen bilden müssen, wo wir Punkte suchen müssen und wo wir uns Mehrheiten suchen müssen«, sagte Rhein. Dass solche Mehrheiten auch mit AfD-Stimmen zustande kommen können, schloss der CDU-Politiker nicht aus.

Rhein betonte, dass nicht die CDU allein für die aktuell hohen Umfragewerte der AfD verantwortlich sei: »Stellt doch auch bitte mal Sozialdemokraten und Grünen die Frage: ›Was ist eigentlich mit eurer Politik und warum führt eure Politik eigentlich dazu, dass man mit euch nicht mehr koalieren kann, weil ihr nicht über die Fünfprozenthürde kommt?‹«

Der thüringische Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) forderte seine Partei unterdessen zu einem selbstbewussteren Umgang mit der AfD auf. »Die CDU muss den Rücken gerade machen«, erklärte er gegenüber Bild am Sonntag. Die Partei stelle den Kanzler, acht Ministerpräsidenten, ein Drittel der Oberbürgermeister und zwei Drittel der Landräte. »Den Kurs dieses Landes bestimmt die Union«, betonte Voigt. Die CDU müsse selbstbewusst sagen: »Wir sind die bestimmende Kraft – und lassen nicht permanent die Diskussion um die AfD kreisen.«

Es müsse »endlich wieder ein positiver Grundsound durchs Land« gehen, sagte Voigt und kritisierte die »Miesmacherstimmung der AfD«. Von einer sogenannten Brandmauer zur AfD wolle er aber nicht sprechen. Er halte das für einen »untauglichen Begriff, der ist angstgetrieben, der ist passiv, den braucht es nicht«, so Voigt: »Dieses permanente Kreisen um die AfD als Referenzpunkt, das macht uns doch kaputt.«

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