Abgesang
Trump trifft Xi. »Amazing« findet das der Präsident mit der Großmannssucht, der allerdings qua Amt gar nicht anders kann, als große Politik zu machen; natürlich nicht im Sinne von genial, sondern von bedeutsam. Und also beschäftigt dieses Treffen die ganze Welt. Wenn der chinesische und der US-amerikanische Staatschef zusammenkommen, um binnen 100 Minuten wesentliche Fragen der Weltwirtschaft zu regeln, ist damit zugleich die ganze Einflusslosigkeit der Staaten der Europäischen Union bezeugt. So etwas bekümmert hiesige Medien.
Die NZZ sieht die Volksrepublik im Vorteil. Trumps Formulierung, er reise zum »G-2-Konvent«, interpretiert das Schweizer Blatt als Anerkennung einer »Gleichwertigkeit«, die »in China mit Befriedigung aufgenommen worden sein« dürfte. »China hat es geschafft, die von Konflikt und Eskalation geprägte Beziehung auf eine Ebene zu heben, die ein Stück weit kontrollierbar ist. Jetzt gibt es wieder Dialog, sogar Ansätze zur Kooperation. Das gibt Peking Zeit, um seine Ziele ungestört umzusetzen: wirtschaftlich, technologisch wie militärisch führend und unabhängig zu werden. Die Zeit ist grundsätzlich auf Chinas Seite.«
Auch die Welt muss anerkennen: »Das einst sagenumwobene Reich der Mitte hat nach einer langen Schwächephase zu seiner alten Stärke zurückgefunden.« Jetzt gingen von dort »immer wieder Schockwellen aus. Chinas unverhohlene Ambition, die Weltmacht des 21. Jahrhunderts zu werden, fordert die USA heraus.« Allerdings findet man bei Springer, dass Beijing seine neue Position der Stärke einer systematischen Verletzung der Spielregeln verdanke: Dumpinglöhne, Dumpingpreise, Subventionen – unfairer Wettbewerb. Dagegen empfehle sich eine gemeinsame »China-Stratgie«, Europa solle einem »Club der China-Realisten aus Eigeninteresse beitreten. Nur zusammen ist man stärker als jeder gefährliche Foulspieler.«
Solchen Zweckoptimismus vermag die FAZ schon nicht mehr aufzubringen. Denn Trump gehe »mit Xi zaghafter um als mit seinen Verbündeten. Der ›Westen‹ oder das ›Wertebündnis‹ sind für ihn Fremdworte. (…) Europa muss sehen, wie es seine strategischen Interessen mit Trumps Befindlichkeiten in Einklang bringt. Das ist der beklagenswerte Befund eines Kontinents, der glaubte, es mit Amerika und China aufnehmen zu können.« Schon kurz zuvor hatte man in Frankfurt am Main den Abgesang auf die EU angestimmt: »Europa wird nicht ernst genommen, weil man es nicht ernst nehmen muss.« Bloß noch Wurmfortsatz Asiens? Armer Kontinent. (brat)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. November 2025 um 23:56 Uhr)Meine Lektüreempfehlung zum Thema: Where Is the West Heading? (Wohin steuert der Westen?, Quelle: https://valdaiclub.com/a/highlights/where-is-the-west-heading/). Zum Schluss des Artikels stellt der Autor drei potentielle »Wege nach vorne« (erstens: eine begrenzte liberale Restauration; zweitens: die Selbstbeschränkung Amerikas, d.h. die Aufgabe des Imperiums zugunsten der Nation; drittens: neue transatlantische Konsolidierung) vor. An diesem Beispiel könnte man diskutieren, ob überhaupt ein Fortschritt beim Eintreten einer der Varianten enthalten wäre, und wenn ja, welcher. Diese Zuschrift darf auch als pragmatischer Hinweis zu »Kein unschuldiger Begriff« (www.jungewelt.de/artikel/511433.philosophie-kein-unschuldiger-begriff.html) betrachtet werden.
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