Winterhelfer des Tages: Wolodimir Selenskij
Von Reinhard Lauterbach
Der deutsche Weihnachtsmann ist im Russischen bekanntlich »Väterchen Frost«. Die Ukraine dürfte allerdings in diesem Winter kaum einen Sack voller milder Gaben erwarten, sondern ausgesprochen frostige Weihnachten. Denn mit den konzentrierten russischen Angriffen auf Strom- und Heizkraftwerke wird es für die Bevölkerung schwierig werden, das Jahresende im Warmen zu verbringen.
Aber Wolodimir Selenskij wäre nicht der Tragikomödiant, als der er bekannt geworden ist, wenn ihm nicht eine kreative Lösung eingefallen wäre: Er will den Leuten für den Winter Freifahrten auf der Eisenbahn auf frei wählbaren Strecken anbieten. Auch durchaus langen wie Kiew–Lwiw. Mit anderen Worten: Man setzt sich, wenn es einem kalt ist, in einen Waggon des gewünschten Zuges und steht am nächsten Morgen wenigstens mit warmen Füßen auf dem Bahnsteig im denkmalgeschützten Bahnhof von Lwiw. Denn im Zug hängt die Heizung an der Lokomotive, dieses dezentrale System ist deshalb kaum lahmzulegen. Freilich gilt das Angebot für das Ukraine-Ticket Selenskijs nur für insgesamt 3.000 Kilometer, also grob gesagt dreimal Kiew–Lwiw und zurück. Wer kürzere Strecken wählt, kann dafür öfter fahren und sich die Füße wärmen. Da aber die Züge wegen der russischen Schläge gegen das Bahnstromsystem und der Angriffe auf wichtige Knotenpunkte in vielen Fällen stundenlange Verspätungen haben, verlängert sich die Zeit in der Wärmehalle auf Schienen für die Passagiere entsprechend. Und wenn die Waggons überfüllt sind, wärmen sich die Leute halt gegenseitig.
Ach ja, es soll auch ein individuelles Hilfsprogramm wieder aufgelegt werden, aus dem im letzten Winter pro Person umgerechnet 20 Euro ausgezahlt wurden. Der Krieg soll weitergehen, das Volk irgendwie bei Laune gehalten werden. Wärmer wird’s davon sicher nicht werden.
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