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Aus: Ausgabe vom 31.10.2025, Seite 3 / Ansichten

Zeit gewonnen

Chinas Erfolg im Handelskrieg
Von Jörg Kronauer
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Seltene Erden sind unverzichtbar: Konzentriertes Bauxit und Eisenerz im Hafen von Yantai in China

China hat ein wirksames Gegenmittel gegen die unablässigen Sanktions- und Zollattacken der Vereinigten Staaten gefunden: Das Fazit lässt sich aus der Vereinbarung ziehen, die beide Seiten am Donnerstag bekanntgaben. Die Exportkon­trollen, die die Volksrepublik auf seltene Erden verhängt hat, treffen die US-Industrie hart; sie hatten die Trump-Regierung schon im Sommer gezwungen, ihre damaligen 145-Prozent-Zölle auf Einfuhren aus China zu senken, und sie haben sie nun zur erneuten Zollsenkung und zur Aufhebung von Sanktionen genötigt. Die Drohung, im Extremfall weite Teile der US-Industrie von derzeit unersetzlichen Rohstoffen abzuschneiden, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Dass die Volksrepublik sich – strategisch weitsichtig – ein Beinahemonopol auch auf die Förderung, insbesondere aber auf die Aufbereitung und auf die Weiterverarbeitung der seltenen Erden hart erarbeitet hat, das zahlt sich heute aus.

Man sollte sich allerdings keinen Illusionen hingeben. Zum einen reicht der Druck, den die Volksrepublik mit den seltenen Erden ausüben kann, nicht aus, um die Vereinigten Staaten zu einer kompletten Einstellung ihres Wirtschaftskriegs zu nötigen: Die US-Zölle sind nach wie vor ziemlich hoch. Zahlreiche Sanktionen bleiben bestehen. Zum anderen hat die Nutzung der Exportkontrollen ein Verfallsdatum. Trump hat seine Asienreise nicht umsonst genutzt, um anderswo – in Malaysia, in Japan – alternative Quellen für seltene Erden aufzutun. Die sind bislang zwar recht beschränkt. Washington schiebt aber zugleich mit Milliardensummen die Entwicklung einer eigenen Aufbereitung und Weiterverarbeitung von seltenen Erden an. Das geht, da sind sich die Auguren einig, keinesfalls von jetzt auf gleich. Früher oder später aber werden die USA sich eigenständig versorgen können. Dann ist Beijing dieses Gegenmittel los.

Bis dahin hat die Volksrepublik kostbare Zeit gewonnen, die sie nutzen kann, um ihre eigene Industrie gezielt weiterzuentwickeln – die Halbleiterbranche vor allem, in der sie nach wie vor zurückliegt. Geht man von Erfahrungen aus, dann darf man vermuten, dass die chinesische Wirtschaft sich auch weiterhin schneller entwickeln wird als die US-Konkurrenz: Sie profitiert vom Ausbleiben einer ungehemmten Eskalation der Sanktionen stärker als die Wirtschaft der USA. Der jüngste Waffenstillstand im Handelskrieg ist also nicht nur ein taktischer Erfolg, sondern auch ein strategischer Punktgewinn für Beijing. Man darf vermuten, dass Washington dies an anderer Stelle auszugleichen versuchen wird. Trump lobte vor seinem Treffen mit Xi wohl kaum ohne Grund die dramatische Hochrüstung, die Japans neue Rechtsaußen-Ministerpräsidentin angekündigt hat. Außerdem unterstützt er, von Javier Milei über Jair Bolsonaro bis zu María Machado, gewiss nicht umsonst ultrarechte antichinesische Hardliner in Lateinamerika. Seinen großen Machtkampf, da darf man sicher sein, führt er weiter.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (31. Oktober 2025 um 09:44 Uhr)
    China ist der unbeabsichtigte Gewinner einer vom Westen selbst entfesselten Globalisierung. Während westliche Industrien ihre Produktion auslagerten, baute Beijing still und strategisch klug seine Kontrolle über Schlüsselressourcen aus – mit dem heutigen Ergebnis: wirtschaftliche Schlagkraft und politische Souveränität. Trump dagegen hat seinen Zollkrieg ohne Plan begonnen – getrieben von innenpolitischem Populismus statt von wirtschaftlicher Strategie. China musste nicht einmal aggressiv reagieren; es genügte, seine Karten ruhig und überlegt auszuspielen. Dass Washington in einem Handelskrieg gegen den einen größten Gläubiger der USA und wichtigsten Zulieferer der Weltwirtschaft kaum gewinnen kann, hätte man in den Thinktanks der USA längst wissen müssen. Die jüngsten Verhandlungen sind kein diplomatischer Durchbruch, sondern ein Realitätscheck: Mit China wird ab jetzt nur noch auf Augenhöhe gesprochen. Und noch ein unbequemer Punkt: Beijing hat derzeit keinerlei Interesse an einem schnellen Ende des Ukraine-Kriegs. Solange sich der Westen und Russland gegenseitig zermürben, kann China seine wirtschaftliche und geopolitische Position weiter ausbauen – ohne selbst einen Schuss abzugeben. Trumps Problem ist nicht nur, dass er schlechte Karten hat. Sein eigentliches Pech ist, dass alle am Tisch das wissen – vor allem China.
  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (31. Oktober 2025 um 05:26 Uhr)
    Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das US-amerikanische Kapital das chinesische effektiv in die Schranken weisen sollte. Selbst bei kompletter Abschottung der westlichen Märkte wäre letzteres mittel- und langfristig überlegen. Der alte Schuh, den sich Trump und Co. da für die Zwischenzeit anziehen will, mittels Hochrüstung den Rivalen kaputtzumachen, geht ja auch aus dem Leim: Das funktioniert nur gegenüber einer unterlegenen Wirtschaftsorganisation wie eben der damaligen der UdSSR und muss bei Atommächten noch gepaart sein mit der Blödheit des Gegenübers, auch mitzuziehen. Also die KPC müsste genauso gestört sein wie die damalige KPdSU, zu meinen, ein 20facher Overkill reiche nicht, wenn der Gegner einen 22fachen hat. Anderenfalls fällt das den Aggressoren ja nur selbst auf die Füße. Die chinesischen »human ressources« dürften heutzutage mehr als smart genug sein, zu wissen, dass ein 2- bis 3facher nuklearer Overkill in Kombo mit einem relativ kleinen konventionellen Verteidigungsring locker ausreicht, selbst gegen ein zigfach größeres Potential des Gegners. Also zu Tode rüsten oder von einem zornigen, faschistischen, 79jährigen Narzissten-Baby, was auf die Anhimmelung von religiotisch hirngewaschenen Hillbillies angewiesen ist, zur Kapitulation plärren lassen sie sich sicher nicht ;)

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