Zeit gewonnen
Von Jörg Kronauer 
					China hat ein wirksames Gegenmittel gegen die unablässigen Sanktions- und Zollattacken der Vereinigten Staaten gefunden: Das Fazit lässt sich aus der Vereinbarung ziehen, die beide Seiten am Donnerstag bekanntgaben. Die Exportkontrollen, die die Volksrepublik auf seltene Erden verhängt hat, treffen die US-Industrie hart; sie hatten die Trump-Regierung schon im Sommer gezwungen, ihre damaligen 145-Prozent-Zölle auf Einfuhren aus China zu senken, und sie haben sie nun zur erneuten Zollsenkung und zur Aufhebung von Sanktionen genötigt. Die Drohung, im Extremfall weite Teile der US-Industrie von derzeit unersetzlichen Rohstoffen abzuschneiden, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Dass die Volksrepublik sich – strategisch weitsichtig – ein Beinahemonopol auch auf die Förderung, insbesondere aber auf die Aufbereitung und auf die Weiterverarbeitung der seltenen Erden hart erarbeitet hat, das zahlt sich heute aus.
Man sollte sich allerdings keinen Illusionen hingeben. Zum einen reicht der Druck, den die Volksrepublik mit den seltenen Erden ausüben kann, nicht aus, um die Vereinigten Staaten zu einer kompletten Einstellung ihres Wirtschaftskriegs zu nötigen: Die US-Zölle sind nach wie vor ziemlich hoch. Zahlreiche Sanktionen bleiben bestehen. Zum anderen hat die Nutzung der Exportkontrollen ein Verfallsdatum. Trump hat seine Asienreise nicht umsonst genutzt, um anderswo – in Malaysia, in Japan – alternative Quellen für seltene Erden aufzutun. Die sind bislang zwar recht beschränkt. Washington schiebt aber zugleich mit Milliardensummen die Entwicklung einer eigenen Aufbereitung und Weiterverarbeitung von seltenen Erden an. Das geht, da sind sich die Auguren einig, keinesfalls von jetzt auf gleich. Früher oder später aber werden die USA sich eigenständig versorgen können. Dann ist Beijing dieses Gegenmittel los.
Bis dahin hat die Volksrepublik kostbare Zeit gewonnen, die sie nutzen kann, um ihre eigene Industrie gezielt weiterzuentwickeln – die Halbleiterbranche vor allem, in der sie nach wie vor zurückliegt. Geht man von Erfahrungen aus, dann darf man vermuten, dass die chinesische Wirtschaft sich auch weiterhin schneller entwickeln wird als die US-Konkurrenz: Sie profitiert vom Ausbleiben einer ungehemmten Eskalation der Sanktionen stärker als die Wirtschaft der USA. Der jüngste Waffenstillstand im Handelskrieg ist also nicht nur ein taktischer Erfolg, sondern auch ein strategischer Punktgewinn für Beijing. Man darf vermuten, dass Washington dies an anderer Stelle auszugleichen versuchen wird. Trump lobte vor seinem Treffen mit Xi wohl kaum ohne Grund die dramatische Hochrüstung, die Japans neue Rechtsaußen-Ministerpräsidentin angekündigt hat. Außerdem unterstützt er, von Javier Milei über Jair Bolsonaro bis zu María Machado, gewiss nicht umsonst ultrarechte antichinesische Hardliner in Lateinamerika. Seinen großen Machtkampf, da darf man sicher sein, führt er weiter.
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