Sorge vor Kontrollverlust
Von Jörg Kronauer
Es mag eine neue Erfahrung für Donald Trump sein: Handelskriege sind nicht zwingend, wie der US-Präsident noch Anfang 2018 tönte, gut und leicht zu gewinnen; man kann sie leicht auch verlieren. Dann jedenfalls, wenn man sich allzu sicher wähnt und sich zudem mit einem Staat anlegt, der ökonomisch mächtig ist und dessen Regierung strategisch klug kalkuliert.
Beides trifft auf China zu. Die Volksrepublik hat sich mit ihrem Beinahemonopol auf seltene Erden und mit den Exportkontrollen, mit denen sie ihre Ausfuhr seit kurzem reglementiert, eine hochwirksame Waffe zugelegt, die sie nun gezielt zur Abwehr der mörderischen US-Zoll- und Sanktionsattacken nutzt. Als Trump meinte, nach dem jüngsten Waffenstillstand im Handelskrieg gegen China diesen umstandslos brechen sowie die nächste Sanktionsladung abfeuern zu können, da setzte Beijing Exportkontrollen in Kraft, die nun dem Allerheiligsten in den USA die seltenen Erden abzugraben drohen: der Rüstungsindustrie. Das schmerzt selbst den Ballsaalkaiser von Washington.
Seitdem hat Trump es eilig. Nach einem kurzen cholerischen Anfall, der ihn veranlasste, mit Zusatzzöllen von 100 Prozent auf alle Importe aus China zu drohen, hat er wieder und wieder fast beschwörend erklärt, aber selbstverständlich werde er sich am Donnerstag dieser Woche am Rande des APEC-Gipfels in Südkorea mit seinem Amtskollegen Xi Jinping treffen; und natürlich werde man da den Handelskrieg – gewinnen? Nun ja: bereinigen können. Trifft zu, was US-Finanzminister Scott Bessent am Sonntag nach Verhandlungen mit dem chinesischen Vizeministerpräsidenten He Lifeng in Malaysia erklärte, dann haben beide Seiten dafür nun die Voraussetzungen geschaffen; dann wird man bald sehen, wieweit es Beijing gelingt, die US-Zölle und die Sanktionen zurückzudrehen. Ein Waffenstillstand könnte diesmal von längerer Dauer sein: China kann die Exportkontrollen jederzeit abschwächen, aber auch wieder verstärken. Trump hat das jetzt wohl gelernt.
Nein, es gibt keine Garantie dafür, dass es so kommt: Wenn eine Seite erratisches Handeln zur taktischen Maxime erklärt, weiß man nie. Es gibt mittlerweile aber im US-Establishment Stimmen, die – auch mit Blick auf die Folgen des Handelskriegs für die USA – zur Vorsicht mahnen. Mitte Oktober hat die Rand Corporation, eine einflussreiche US-Denkfabrik, eine Studie vorgelegt, in der sie warnt, der Machtkampf zwischen den Vereinigten Staaten und China könne außer Kontrolle geraten – und zwar, das legt der Kontext nahe, auf eine für die USA nachteilige Art und Weise. Besser sei es daher, raten die Autoren, eine Eskalation zu vermeiden und den Konflikt vorläufig etwas einzuhegen: »wie im Kalten Krieg«, heißt es in der Studie. Ob Trump dem Rat folgt, ist freilich ungewiss. Denn nicht nur Handels-, auch kalte Kriege kann man bekanntlich verlieren, und der Gewinner muss nicht zwingend derselbe sein wie beim vorigen Mal.
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