Heiße Luft in Paris
Von Claudia Wrobel
Eine feministische Außenpolitik wäre 2025 tatsächlich so nötig wie lange nicht. Weltweit werden reproduktive Rechte von Frauen systematisch eingeschränkt, der Zugang zu Bildung ist für viele Mädchen erschwert, und in den sozialen Netzwerken nimmt sogenannter Tradwife-Content zu, also Beiträge, in denen ein traditionelles Rollenverständnis propagiert wird. Um so fataler, dass es auf der vierten internationalen Konferenz zu feministischer Außenpolitik vor allem um Symbole und weniger um eine konkrete Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen ging. Damit reiht sich das Treffen, das am Mittwoch und Donnerstag in Paris stattfand, nahtlos in die bisherigen Bemühungen der Staaten ein, die sich mit entsprechender Außenpolitik schmücken wollen.
Wenn die Verbesserungen bei der Gleichstellung von Frauen im gewohnten Tempo der vergangenen Jahrzehnte weitergehen, dauert es laut UN Women noch rund 300 Jahre, bis wirkliche Gleichberechtigung erreicht ist. Die zunehmenden Kriege und Krisen weltweit, die immer auch einen systemischen Angriff auf die Gleichstellung von Frauen bedeuten und deren Situation schwächen, machen selbst diese Vorhersage unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz bleiben die Versuche, dies einzudämmen, halbherzig. So hat beispielsweise Frankreich im März dieses Jahres eine internationale Strategie zur feministischen Außenpolitik beschlossen. Zu den Prioritäten gehört laut Außenministerium, eine »Verbesserung der Gleichstellung in und durch Bildung« zu erreichen und »Schritte zu ergreifen, Frauen wirtschaftlich zu ermächtigen«. Das hält Frankreich allerdings nicht davon ab, die Haushaltsmittel für entwicklungspolitische Zusammenarbeit um fast die Hälfte einzukürzen, was weltweit insbesondere Bildungsprojekte um etliche Jahre zurückwerfen wird. Die Leben der Mädchen, die dadurch weniger oder keinen Zugang zu formaler Bildung haben, wird dies langfristig negativ beeinflussen.
Diese Entscheidung, während man sich gleichzeitig durch »feministische Außenpolitik« als besonders fortschrittlich labeln möchte, steht im eklatanten Widerspruch zur Verantwortung, die insbesondere Kolonialmächten wie Frankreich weltweit zukommt. Sie ist aber in einer Situation um so verheerender, in der auch die USA als größter Geldgeber weltweit die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in diesem Jahr fast komplett zusammengestrichen haben. Ein Blick auf die USA offenbart ebenfalls, warum solche Konferenzen nicht über Symbolpolitik hinauskommen. Denn natürlich reicht der einseitige Blick auf Entwicklungszusammenarbeit nicht aus, prägt aber eben auch Zusammenkünfte dieser Art.
So gab es im Programm beispielsweise Diskussionsrunden, in denen die Rolle der Frau in Afghanistan diskutiert wurde, die Angriffe auf Frauenrechte in denjenigen Staaten, die sich als Vorreiter begreifen und unter dem Label der Frauenrechte sogar Kriege beginnen, blieben allerdings unbeleuchtet. Natürlich ist es notwendig, die Gefahren für Frauen in Gesellschaften wie der afghanischen zu benennen und internationale Bemühungen zu befeuern, diese zu verbessern. Es bleibt aber oft beim Blick von außen und der impliziten Überzeugung, selbst alles besser zu machen. Auch werden Angriffe auf Frauenrechte in befreundeten Staaten, mit denen man mehr gemein hat, dann nicht ebenso benannt.
Weltweit gibt es enorme Einschnitte in reproduktive Rechte, die das Leben von Frauen ganz konkret gefährden. In jüngster Zeit kam es zu Verschärfungen im Abtreibungsrecht beispielsweise in Argentinien, Polen, Rumänien, den USA. Der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth teilte im August über einen Kurznachrichtendienst ein Video, in dem sich evangelikale Pastoren gegen das Frauenwahlrecht aussprechen. In Deutschland erleben wir, wie der Schutz von Frauen und deren Rechten vor allem dann ein Thema ist, wenn er genutzt werden kann, rassistische Aussagen zu rechtfertigen. All dies kein Thema in Paris in den vergangenen Tagen. Aber wenn feministische Außenpolitik nicht auch im Näheren und bei Freunden konkret wird, wird sie über Symbolpolitik nicht hinauskommen. Und die ist für echte Verbesserungen sogar hinderlich.
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