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Aus: Ausgabe vom 24.10.2025, Seite 15 / Feminismus
BRD

Gewaltschutz endet beim Täter

Erste Statistik zu Programmen für Gewaltausübende zeigt deutliche Lücken in der BRD auf
Von Yaro Allisat
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Weder Frauenhäuser sind ausreichend finanziert noch die Arbeit mit Tätern, um Gewalt zu verhindern (Nienburg, 28.8.2013)

Nur ein Bruchteil der gewaltausübenden Personen, vornehmlich Männer, landet in Täterprogrammen. Das zeigt die erstmals veröffentlichte Erhebung der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V. (BAG TäHG). So fand in 26 Prozent der Fälle nach einer Mitteilung über sogenannte häusliche Gewalt keine Beratungsaufnahme mit dem Täter statt. Von mehr als 5.000 Personen, die im Kontakt mit entsprechenden Beratungen standen, wurde nur mit rund 3.400 auch eine solche aufgenommen. Mehr als 40 Prozent schlossen die Täterprogramme nicht ab. Die BAG schätzt, dass das Dunkelfeld deutlich höher ist.

Laut BAG TäHG kann das unterschiedliche Gründe haben. Oft erscheinen die Täter nicht zu vereinbarten Erstgesprächen. Auch reichen die Personalressourcen aufgrund mangelnder Finanzierung der Beratungsstellen nicht immer aus, um alle gewaltausübenden Personen in das Programm aufzunehmen. So kam der Monitor »Gewalt an Frauen« 2022 zu dem Ergebnis, dass in acht Bundesländern weniger als eine Vollzeitstelle pro Beratungseinrichtung für die Täterarbeit zur Verfügung stand. Mit Blick auf die geplante Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und Täterarbeit im Gewaltschutzgesetz warnte der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF) Mitte September jedoch davor, Täterarbeit »aus den ohnehin sehr begrenzten Mitteln« zu finanzieren, »die für die Unterstützung und den Schutz Betroffener von Gewalt bereitstehen«. Die BAG TäHG sieht in Fußfesseln nur eine ergänzende Maßnahme, die eine besser ausgebaute Täterberatung begleiten könnte.

»Betroffene werden weiterhin gefährdet und das Potential von Täterarbeit als wichtiges Instrument des Gewaltschutzes nicht ausgeschöpft«, so Linda Conradi, Geschäftsführerin der BAG TäHG, in einer Mitteilung. »Auch zeigt sich in unserer Statistik, dass Gerichte von ihren Möglichkeiten zur justiziellen Weisung in ein Programm nur selten Gebrauch machen.« Deshalb fordert die BAG TäHG, bestehende Rechtsmittel zur Anordnung von Täterprogrammen durch Gerichte besser zu nutzen, und schlägt verpflichtende Weiterbildungen für Polizei und Justiz vor.

Die Erhebung der BAG TäHG schließt eine Datenlücke in den Statistiken zur partnerschaftlichen und familiären Gewalt, einem Bereich, in dem es insgesamt an systematischen und statistischen Daten mangelt. Neben den Zahlen der Beratungsaufnahmen erfasst die Statistik auch die Formen der ausgeübten Gewalt sowie soziodemographische Hintergründe der Täter. So zeigen die Zahlen, dass in 75 Prozent der Fälle körperliche und in 65 Prozent psychische Gewalt ausgeübt wird. Nur 36 Prozent der Täter melden sich selbst zur Beratung, ein großer Teil wird über das Jugendamt, die Polizei oder Gerichte an die Beratungsstellen vermittelt. Zudem ergab die Statistik, dass nur 23 Prozent das Programm abschließen. Beraten wurden vor allem Männer mittleren Alters. Mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet in einem Angestelltenverhältnis und hat keinen Migrationshintergrund. In 74 Prozent der Fälle waren auch Kinder von der Gewalt betroffen.

Die BAG TäHG ist der Dachverband der 83 Täterarbeitseinrichtungen in Deutschland. 1980 gründete sich in der Bundesrepublik die erste Täterarbeitsstelle. Seitdem fand eine Vereinheitlichung und Professionalisierung der Angebote statt. Mit der Veröffentlichung der Statistik möchte die BAG TäHG, die sich 2006 zunächst als informeller Interessensverband der Beratungsstellen gründete, einen Beitrag zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland leisten. Täterberatung kann entweder von der gewaltausübenden Person eigenständig in Anspruch genommen werden, aber auch Gerichte können die Teilnahme an einem solchen Programm als Voraussetzung beispielsweise für den Kindesumgang anordnen.

Grundsätzlich versteht die BAG TäHG ihre Arbeit als profeministisch und richtet die Arbeit vornehmlich auf männliche Täter aus. Der Verband kritisiert, dass in Gewaltschutzverfahren noch immer der Großteil der Verantwortung auf seiten der Betroffenen liegt.

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