Linksruck in Dublin erwartet
Von Dieter Reinisch
Behalten die Meinungsforscher recht, dann wird diesen Freitag Catherine Connolly zur neuen Präsidentin der Republik Irland gewählt. Sie würde damit Michael D. Higgins beerben, der wie Connolly seine politische Sozialisation in Labour erfahren hat. Doch im Gegensatz zu Higgins ist Connolly zwar formell unabhängig, hinter ihrer Kampagne vereinigt sich aber die gesamte linke Opposition – von den beiden sozialdemokratischen Parteien über die republikanische Sinn Féin (SF) bis zu den im Parlament vertretenen Trotzkisten.
Die Wahl könnte Einfluss auf den Fortbestand der rechtskonservativen Regierung aus Fine Gael (FG) und Fianna Fáil (FF) haben. Denn SF schmiedet seit langem an einem Bündnis der linken Oppositionsparteien, um nach den nächsten Parlamentswahlen erstmals seit der Unabhängigkeit vor über 100 Jahren ohne die beiden konservativen Parteien eine Linkskoalition schmieden zu können. Der Präsidentschaftswahlkampf hat diesem Projekt Auftrieb gegeben und das Regierungsbündnis in Turbulenzen gebracht.
Denn eigentlich hatten am 24. September drei Kandidaten die Hürde übersprungen, um auf dem Stimmzettel zu stehen. Doch nur eine Woche später zog der FF-Kandidat Jim Gavin zurück: Er schuldet einem ehemaligen Mieter 3.300 Euro. Da der Rückzug nach der Frist verkündet wurde, wird er dennoch auf den Wahlzetteln zu finden sein. Und in den Umfragen gaben durchweg zwischen fünf und zehn Prozent an, ihre Stimme Gavin zu geben.
Haushoch in Führung liegt Connolly, die unabhängige Parlamentarierin aus der Grafschaft Galway. Ihre Kontrahentin ist Heather Humphreys von FG. 2024 kündigte sie an, nicht abermals für das Parlament zu kandidieren: »Bis zum Ende der Amtszeit wäre ich dann 70 Jahre alt«, erklärte sie ihre Entscheidung. Doch Präsidentin will sie werden: »Ich stehe im Zentrum des politischen Spektrums, ich bin nicht weit links und nicht weit rechts«, beschrieb sie sich im letzten Fernsehduell der beiden Kandidatinnen am Dienstag abend.
Die Ausgangslage davor war klar: Connolly hatte in einer Ipsos-Umfrage mit 38 Prozent fast doppelt soviel Zustimmung wie Humphreys. Doch aus der Umfrage ging auch hervor, dass fast ein Drittel der Wähler unentschlossen war. Im direkten Duell wusste Connolly nach Anfangsschwierigkeiten aber zu überzeugen. Dies bescheinigte auch die Irish Times (IT): Beide hätten eine gute Debatte gezeigt, aber für Humphreys war es »wohl zuwenig, um den Abstand aufzuholen«, betonte IT-Kolumnistin Ellen Coyne. Ähnlich ihr IT-Kollege Hugh Linehan: Connolly habe eine »sehr kompetente Vorstellung gezeigt«. Damit Humphreys noch eine realistische Chance habe, »hätte es ein Erdbeben gebraucht, doch dazu kam es nicht«. Für IT-Kolumnist Pat Leahy war Connolly »die klare Siegerin«.
Diese könnte sie auch diesen Freitag werden, denn die am Mittwoch veröffentlichten Umfragen verdeutlichen den Trend: Red-C-Research ermittelte 44 Prozent für Connolly, 25 Prozent für Humphreys und 21 Prozent als noch unentschlossen. In der Altersgruppe unter 34 Jahren liegt die Unterstützung für Connolly sogar bei 64 Prozent.
Der Beginn der Fernsehdebatte war von den Ereignissen im Westen Dublins am selben Abend geprägt: Bis zu 2.000 Personen, angestachelt von extrem rechten Agitatoren über soziale Netzwerke, versammelten sich vor einer Flüchtlingsunterkunft in Saggart, um gegen Migranten zu protestieren. Es kam zu Ausschreitungen, bei denen ein Polizeiwagen in Brand gesetzt wurde und sechs Personen verhaftet wurden.
Humphreys sagte, sie werde als Präsidentin einen Raum schaffen für sichere Gespräche über die Kulturen anderer Menschen, um das Verständnis zu erweitern. Sie forderte die Protestierenden auf, nach Hause zu gehen, und ermahnte sie: »So ist unser Land nicht!« Connolly bezeichnete die Ereignisse in Saggart als zutiefst beunruhigend und betonte, es sei Zeit für politische Führung, die von der Regierung nicht gegeben werde: Humphreys repräsentiere diese Politik, betonte Connolly. Falls sie selbst gewählt werde, möchte sie eine Präsidentin für »Frieden, Diplomatie und Neutralität« sein.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Frank Sorge/IMAGO26.09.2025Rüge aus Tbilissi
Jonathan Mccambridge/PA Wire/dpa11.06.2025Rassistischer Mob wütet in Nordirland
Jorge Dan Lopez/REUTERS25.04.2025Historische Antikorruptionsproteste
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Kommuniqué der 4. Plenartagung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas
vom 24.10.2025 -
ICE brechen
vom 24.10.2025 -
Das 19. Sanktionspaket
vom 24.10.2025 -
Kolumbiens Zerreißprobe
vom 24.10.2025 -
Lehrer des Widerstands
vom 24.10.2025 -
Nah auf Distanz halten
vom 24.10.2025