Aus Leserbriefen an die Redaktion

Bauernland wieder in Junkerhand
Zu jW vom 17.10.: »Junkerland in Bauernhand«
Der Kommunist Bernhard Quandt gilt im Kreis Güstrow als Vater der Bodenreform. Am 27. September 1945 fuhr Bernhard Quandt mit vier Pastoren nach Bredentin und führte die Bodenreform durch. In Güstrow wurden 164 Güter aufgeteilt und damit die politische Elite auf dem Lande, die in der Regel treu zum Nazifaschismus stand, enteignet. Das Land erhielten Flüchtlinge, Landarbeiter und Kleinbauern. Die Bodenreform war von den Alliierten vereinbart. Ein Großteil des Bodenreformlandes ist heute wieder in »Junkerhand«. Nach 1990 kamen die Maltzahns voller Tatendrang zurück und wollten ihre ehemaligen Besitztümer zurück. 1994 rissen Alteigentümer den Bodenreformgedenkstein in Bredentin vom Sockel und versenkten ihn. Bernd von Maltzahn und andere Alteigentümer vom »Hilfsfond für die Opfer der stalinistischen Bodenreform« triumphierten. Doch die Bauern stellten den Stein wieder auf. Ein Großteil des Bodenreformlandes ist heute in Junkerhand. Mit den LPG und VEG verschwanden auch ihre sozialen und kommunalen Wirkungen aus den Dörfern.
Wilfried Schubert, Güstrow
Armut, Hunger, Überfluss
Zu jW vom 7.10.: »Halluzinationen«
Ich kann der jW-Leserin Margitta Mattner nur zustimmen. Wir leben heute in der BRD in einer Überflussgesellschaft. Die meisten Menschen interessieren sich nur noch fürs Konsumieren und Reisen. Ihnen ist es egal, dass der Überfluss, der Reichtum, der Wohlstand – trotz auch in der BRD vorhandener Armut – auch auf der Ausbeutung und Ausplünderung der Länder des globalen Südens basiert. In diesen Ländern sind die Armut und der Hunger größer als in den reichen Industrieländern des globalen Nordens. Und auch wenn wir in der DDR nicht gerade in einer »Überflussgesellschaft« gelebt haben, hatten wir im Vergleich zu den Ländern im globalen Süden damals dennoch einen größeren Wohlstand. Hungern musste in der DDR keiner.
Joachim Becker, Eilenburg
Der andere Baron
Zu jW vom 18./19.10.: »Hart an der Grenze«
Ich fand schon das erste Buch von Christian Baron nicht wirklich der Rede wert. Ich hab’s gelesen, weil ich auch aus Kaiserslautern komme, nicht ganz so prekär, aber auch arm. Erschütternd und mitreißend ist das gleiche Thema bei Édouard Louis: »Das Ende von Eddy« und ebenso erschütternd und großartig geschrieben: »Wer hat meinen Vater umgebracht« über die konkreten Auswirkungen neoliberaler Politik auf die Besitzlosen (beide übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel im Verlag S. Fischer).
Mirjam Glaser, Konstanz
Nicht in den Statistiken
Zu jW vom 18./19.10.: »Existenz am Minimum«
Wo kommen die her, die bei der Agentur nicht auftauchen und denen deshalb sämtliche Bezüge gestrichen werden? Unter anderem daher: Ich betreue jemanden, dem es in seinem Elend und mit seiner Gehbehinderung nicht gelungen ist, die 30 Kilometer entfernte Agentur aufzusuchen. Zwei Termine versäumt, Geld futsch. Hier fehlte es konkret an einem, dem das Elend auffällt, und an einer Begleitperson (nach vier Fahrten zu Agentur und Jobcenter wieder alles auf der Reihe).
Walter Lambrecht, Rostock
Dotcom 2.0
Zu jW vom 18./19.10.: »KI-Crash voraus«
Die Annahme, KI sei eine Blase, ist recht plausibel. Im Gegensatz zur Dotcom-Blase beschränkt sie sich aber im wesentlichen auf riesige Konzerne. Die Dotcoms waren vorwiegend Startups und hinterließen Elektronikschrott, z. B. Sun-Workstations, die Sun in die Insolvenz führten. Alle kauften gebrauchte Sun-Maschinen, keine neuen mehr. Allerdings waren die (bzw. einige) Sun-Manager vorbereitet und unterstützten Google: Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Den Unterschied zwischen »kostenlos« und »gebührenfrei« sollte man unter die Lupe nehmen. Der Volksmund macht gerne keinen Unterschied und fällt auf die Schnauze. Reichlich viele Pfeifen haben immer noch nicht erkannt, wie sie mit ihren Social Media Accounts verarscht und ausgenommen werden. Nur weil sie nicht unmittelbar Kohle für die Dienste abdrücken müssen, glauben sie, die seien kostenlos. Die Spekulation bei der KI steckt nicht nur im Börsen-»Wert«, sie wird hauptsächlich angetrieben, »disruptive« Ansätze zu finden/zu erzeugen. Das Potential dazu hat die KI. Aber ob, wann und wo so was erscheint, ist dem Zufall überlassen. Vielleicht spuckt die KI die Weltformel aus und keiner merkt es, weil es keiner versteht. Haben die »KI-Startups in den vergangenen zwölf Monaten in der Summe eine Billion US-Dollar an Wert erreicht«, oder ist das nur ihr momentaner Preis?
Heinrich Hopfmüller, Stadum
Hunger trotz Überproduktion
Zu jW vom 20.10.: »Krise der Knolle«
Das zeigt die ganze Perversion der Marktwirtschaft: Eine Rekordernte wird zur »Krise der Knolle«. Das erinnert an die 1970er Jahre, als von Butterberg und Milchsee die Rede war. Was in einem sozialistischen Gemeinwesen anzustreben ist (Planerfüllung, Planübererfüllung), wird im Kapitalismus zum Schreckgespenst »Überproduktion«. Der schreiende Widerspruch: Während Millionen Menschen an Hunger leiden, müssen die Bauern wertvolle Lebensmittel verrotten lassen oder an Biogasanlagen verscherbeln. Dann ist es nur konsequent, wenn die »freien Bauern« – der Marktwirtschaft gehorchend – eine »Begrenzung der Anbauflächen« verlangen. Ähnliches Phänomen von »Überproduktion« ebenfalls in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Da gab es angeblich zuviel Stahl, während in den sogenannten Entwicklungsländern die Bauern teilweise noch mit Holzpflügen arbeiten mussten. Allein in der BRD wurden mehrere große Hüttenwerke geschlossen.
Franz Schoierer, per E-Mail
Nach 1990 kamen die Maltzahns voller Tatendrang zurück und wollten ihre ehemaligen Besitztümer zurück. 1994 rissen Alteigentümer den Bodenreformgedenkstein in Bredentin vom Sockel und versenkten ihn.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.