Gegründet 1947 Sa. / So., 18. / 19. Oktober 2025, Nr. 242
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Aus: Ausgabe vom 18.10.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Freiheit ohne Gesetz

Zu jW vom 15.10.: »Was der Masse bleibt«

Es war ein guter Entschluss der jW, auf Howard Zinns »Geschichte des amerikanischen Volkes« aufmerksam zu machen. Die Entwicklung der USA von kleinen englischen Kolonialgebieten zu einer Großmacht war sicher eine enorme Organisationsleistung der Einwanderer. Die Zeiten waren jedoch in den USA von ungeheuren Verbrechen begleitet. Den indianischen Ureinwohnern wurden Tausende Quadratkilometer Land mit Ackerböden, Erzen und Erdöl über Waffengewalt und meist ohne Entschädigungen geraubt. Sie wurden in Reservate getrieben und erhielten erst 1924 mit dem Snyder Act die volle Staatsbürgerschaft. Zeitweilig arbeiteten vier Millionen afrikanische Sklaven in den USA. Der Ku-Klux-Klan verbreitete Angst und Schrecken. Pfarrer Martin Luther King hatte noch 1967 einen Traum, dass seine Kinder ein besseres Leben haben würden. Er wurde ermordet. In den USA lebt ein Einwanderungsvolk aus Europa, Afrika und Asien. Die Immigranten mussten ihre vorgeschossenen Anreisekosten mit jahrelanger Arbeit zurückzahlen. Die USA waren ein Freiheitsland ohne Gesetze.

Den deutschen Lesern wurde über die Jahre vor allem ein folkloristisches Leben der USA erzählt: mit dem edlen Old Shatterhand und seinem Blutsbruder Winnetou oder mit Cowboyromantik in der Literatur. Heute dominiert Donald Trump die Zeilen. Sein demokratisches System mit den Wahlmännern und seinen Dekreten passt nicht so recht in die Vorstellung von einer Demokratie.

Günter Buhlke, per E-Mail

Reisen, konsumieren und resignieren

Zu jW vom 7.10.: »Halluzinationen«

Danke an B. Krumm für diesen guten Leserbrief. Der in meinen Augen treffendste Satz: »(…) dass dabei alle so resigniert vor sich hinleben und völlig abgestumpft mit den Schultern zucken, wenn uns die Millionäre predigen, wir müssten mal wieder gegen die Russen in den Krieg«, verdient es, hier wiederholt zu werden.

Dazu fallen mir Worte Ronald M. Schernikaus aus seiner Rede auf dem letzten Schriftstellerkongress der DDR Anfang März 1990 ein: »Wer die Buntheit des Westens will, wird die Verzweiflung des Westens kriegen.« Die Buntheit des Westens haben wir seit 35 Jahren. Ehe die Verzweiflung wirklich um sich greift, wird es noch eine Weile dauern. Diejenigen, die 1990 verzweifelt waren, haben sich vermutlich erholt – oder auch nicht, was kümmert’s unsere herrschenden Millionäre? Die heute Verzweifelten haben sowieso keine Stimme und wagen es auch nicht aufzumucken. Was für ein Glück, auch für die bei den Tafeln Anstehenden, der »grauen« DDR ein für allemal entronnen zu sein! Als freie Menschen, die sie nun seit langem sind, können sie jederzeit auf Weltreise gehen. Keine Mauer, kein Stacheldraht werden sie wie früher daran hindern. Vielleicht ein kleiner finanzieller Engpass …

Ich habe in meinem großen Freundes- und Bekanntenkreis in den vergangenen 35 Jahren nie gehört, dass mal jemand – wenn auch vorsichtig – gesagt hätte: »Also, dieser Kapitalismus ist auch nicht das Wahre.« Nein! Ich bin es immer, die das sagt! Und als Antwort höre ich: »Aber es ging uns noch nie so gut, wie in diesem Kapitalismus.« Ja, uns! Hier auf der nördlichen Halbkugel! Und auch hier gilt das nur für die, die einen gutbezahlten Job haben. Der Kapitalismus ist nicht die bessere Gesellschaftsordnung, er ist nur die attraktivere! Wem es egal ist, was Kapitalisten im Rest der Welt anrichten, der lebt dann eben so resigniert und abgestumpft vor sich hin (siehe oben). Privat geht allemal vor Katastrophe. Nein, lieber B. Krumm, niemand wird aufmucken. Die Menschen sind sehr nachsichtig in der Beurteilung von Zuständen, die sie selber »frei« herbeiwählen durften. Vor ein paar Tagen hörte ich im Fernsehen, es müsste »ein Bedrohungsbewusstsein« in der Bevölkerung entwickelt werden. Da sind wohl viele immer noch zu sorglos gegenüber Putins Angriffsplänen auf unsere »Werte«. Mein Bedrohungsbewusstsein ist entwickelt! Ich fühle mich bedroht durch die tägliche Kriegsrhetorik unserer Herrschenden. Und nun soll gar noch das Los entscheiden, wer im nächsten Krieg verheizt wird und wer nicht. Wie irre ist das denn?! Die Vernunft schläft und niemand ruft: Halt!

Margitta Mattner, per E-Mail

»Schlimm genug das alles«

Zu jW vom 15.10.: »Reicht für Rathäuser«

Die Kommunalwahlen in Portugal sind für fortschrittliche und linke Kräfte fürwahr nicht positiv verlaufen. (…) Die Rechtsextremisten von Chega haben rund zwölf, nicht 18 Prozent erreicht, die CDU mit den Kommunisten (PCP) hat deutlich verloren, aber nicht drei, sondern knapp sechs Prozent erreicht. Sie und der Linksblock (Bloco de Esquerda) sind keineswegs gleichermaßen im freien Fall, die CDU hat immerhin knapp 100 Gewählte auf der exekutiven Munizipalebene und über 1.000 in den untergeordneten Exekutivorganen in den Gemeinden, beim Bloco sind das entsprechend ein bzw. zwei (dazu ein paar wenige im einstelligen Bereich im Bündnis mit den Sozialisten). Die CDU hat elf »Concelhos« (übergeordnete Kommunen) verloren, darunter die Bezirkshauptstädte Évora und Setúbal, und vier neu dazugewonnen, wie die Hafenstadt Sines (macht effektiv sieben Verlust), und behauptet sich im Großraum Lissabon-Setúbal in Seixal (knapp 160.000 Einwohner), Palmela (annähernd 70.000 Einwohner) und Sesimbra (knapp 60.000 Einwohner), dazu weit über 100 »Freguesias« (untergeordnete Kommunen wie Stadtbezirke und Dörfer), der Linksblock verfügt in keiner einzigen Kommune über den Vorsitz. Schlimm genug das alles, aber bitte ein bisschen mehr Genauigkeit bei der Darstellung. Ich selbst war zum wiederholten Mal Kandidat der CDU bei diesen Wahlen und rede nicht einfach so daher.

Lonha Heilmair, Lisboa

Kapitalismus ist nicht die bessere Gesellschaftsordnung, er ist nur die attraktivere! Wem es egal ist, was Kapitalisten im Rest der Welt anrichten, der lebt dann eben so resigniert und abgestumpft vor sich hin.

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