KI-Crash voraus
Von Lucas Zeise
Die Überschrift eines Artikels im Harvard Business Review (HBR) in dieser Woche ist bedenkenswert: »Ist KI ein Boom oder eine Blase?« Seriöser kann man die Frage gar nicht stellen als in diesem edlen Organ, das der Wissenschaft der Geschäftemacherei gewidmet ist. Die Financial Times (FT) stellt in nachdenklichen Artikeln diese Frage schon seit Wochen und stellt außerdem fest, dass Analysten beim Internationalen Währungsfonds (IWF), bei der Bank von England und bei den prestigeträchtigen US-Banken Goldman Sachs, J. P. Morgan Chase und Citi vor einer »Überbewertung« der Unternehmen, die sich mit künstlicher Intelligenz befassen, an der Börse warnen, also eine Spekulationsblase konstatieren, die irgendwann oder demnächst zu platzen droht. Alle diese Warner weisen auf die Ähnlichkeit der aktuellen Lage mit der »Dotcom«-Hyperspekulation vor 25 Jahren hin, als alles, was irgend etwas Internetartiges im Namen trug, von Wagniskapitalgebern mit Geld vollgepumpt und an der Börse auf irrwitzige Bewertungen hochgejubelt wurde. Als im März 2000 die Spekulation abbrach und die wenigsten dieser Unternehmen überlebten, folgte ein zweijähriger Niedergang der Aktienkurse mit einer längeren Rezession in der Realwirtschaft.
Einige Merkmale des aktuellen KI-Wahnsinns: Das Unternehmen Open AI »verbrennt« (macht Verluste) eine Summe von 8,5 Milliarden US-Dollar im Jahr und wird an der Börse mit 500 Milliarden US-Dollar bewertet. Das Unternehmen Palantir (aus dem Umfeld des rechten Oligarchen Peter Thiel) macht wenigstens Gewinn, wird aber an der Börse mit dem 225fachen Jahresgewinn bewertet (halbwegs »normal« ist ein Faktor unter 20). Die FT rechnet vor, dass die zehn wichtigsten, noch Verluste schreibenden KI-Startups in den vergangenen zwölf Monaten in der Summe eine Billion US-Dollar an Wert erreicht haben. Bemerkenswert ist, dass die etablierten Techgiganten an der Börse in einen Investitionswettlauf eingetreten sind. Der Autor des HBR-Artikels, Paulo Carvão, verweist darauf, dass Riesensummen in neue Rechenzentren investiert werden, die sich an der hochgerechneten Nachfrage nach KI-Dienstleistungen orientieren. Der Chipfabrikant Nvidia habe im September Open AI eine neue Generation an Rechenzentren von 100 Milliarden US-Dollar finanziert und dafür von Open AI den Auftrag zur Lieferung entsprechender Mengen an Chips erhalten. Kurz darauf habe Open AI einen ähnlichen Vertrag über mehrere Milliarden US-Dollar mit der niederländischen AMD vereinbart.
Noch eine Parallele zum damaligen »Dotcom«-Wahn: Die Begeisterung der Konsumenten wird heute wie damals davon angetrieben, dass die Nutzung der neuen Technik ihnen völlig kostenlos erscheint. Als Chat GTP die neue KI-App freischaltete, haben sich sofort hundert Millionen Nutzer ihrer bedient. Carvão resümiert, dass der aktuelle Investitionsboom in der künstlichen Intelligenz von einem doppelten Wettlauf angeheizt wird: einem geopolitischen um die technologische Führerschaft zwischen den USA und China und einem Finanzwettlauf um die Monopolposition, alles Geschäft aufs eigene System konzentrieren zu können. Ein perfektes Szenario für einen fälligen Börsenkrach.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. Oktober 2025 um 23:02 Uhr)Die Annahme, KI sei eine Blase, ist recht plausibel. Im Gegensatz zur Dotcom-Blase beschränkt sie sich aber im Wesentlichen auf riesige Konzerne. Die Dotcoms waren vorwiegend »Startups« und hinterließen Elektronikschrott, z. B. Sun-Workstations, die Sun in die Insolvenz führten. Alle kauften gebrauchte Sun-Maschinen, keine neuen mehr. Allerdings waren die (einige) Sun-Manager vorbereitet und unterstützten Google, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Den Unterschied zwischen »kostenlos« und »gebührenfrei« sollte man unter die Lupe nehmen. Der Volxmund macht gerne keinen Unterschied und fällt auf die Schnautze. Reichlich viel Pfeifen haben immer noch nicht erkannt, wie sie mit ihren »Social Media Accounts« verarscht und ausgenommen werden. Nur weil sie nicht unmittelbar Kohle für die Dienste abdrücken müssen, glauben sie, die seien kostenlos. Oder wie einer meiner Großväter gesagt hat: Nur der Tod ist umsonst, aber der kostet das Leben. Die Spekulation bei der KI steckt nicht nur im Börsen»wert«, sie wird hauptsächlich angetrieben, »disruptive« Ansätze zu finden/zu erzeugen. Das Potenzial dazu hat die KI. Aber ob, wann und wo sowas erscheint, ist dem Zufall überlassen. Vielleicht spuckt die KI die Weltformel aus und keiner merkt es, weil es keiner versteht … Haben die »KI-Startups in den vergangenen zwölf Monaten in der Summe eine Billion US-Dollar an Wert erreicht« oder ist das nur ihr momentaner Preis? Ich bitte um Entschuldigung, permanent die selbe Frage zu stellen.
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