Norden verweigert Hilfe
Von Kristian Stemmler
Knapp vier Wochen vor der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belem hat die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt (BfdW) Alarm geschlagen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen erhalten die am stärksten von den Folgen der Erderwärmung betroffenen Länder, etwa in Afrika, deutlich zu wenig Geld, um darauf reagieren zu können. Immer noch seien 90 Prozent aller Länder des globalen Südens »gemessen an ihrem jeweiligen Klimarisiko deutlich unterfinanziert«, erklärte Sabine Minninger, Klimareferentin der Organisation, am Dienstag gegenüber Journalisten.
Die Zahl geht aus dem »Anpassungsindex 2025« hervor, den BfdW das dritte Jahr in Folge erstellt hat. Darin bemisst das Hilfswerk für 129 Staaten des globalen Südens, ob die Gelder der Industrieländer für die Klimaanpassung gerecht verteilt werden, wobei die Klimarisiken und die Bevölkerungsgröße Kriterien sind. Mit Klimaanpassung sind Maßnahmen gemeint, die auf bereits spürbare oder unmittelbar drohende Auswirkungen der Klimakrise abzielen. Das kann zum Beispiel die Begrünung von Städten sein oder der Bau von Entwässerungssystemen.
»Die Verteilungsgerechtigkeit hat sich nicht verbessert in den letzten drei Jahren«, konstatierte Minninger. 36 der 129 im Index erfassten Länder gelten als »extrem unterfinanziert« und erhalten damit weniger als die Hälfte der für sie angemessenen Gelder. Zu den am stärksten unterfinanzierten Ländern zählen demnach Afghanistan, Tschad, Südsudan, Somalia, Niger, Mali und Jemen. Zudem gehörten viele Staaten, die ohnehin von Krisen und Konflikten gebeutelt sind, zu der Gruppe wie etwa Myanmar, Burkina Faso und Haiti. Von den drei »besonders vulnerablen Ländergruppen« – den am wenigsten entwickelten Staaten (LCDs), den afrikanischen und den kleinen benachteiligten Inselländern – würden lediglich letztere Mittel im Verhältnis zu ihren Klimarisiken erhalten. »Die Finanzierungslücke ist bekannt und wird bewusst in Kauf genommen«, erklärt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt e. V., in einer Mitteilung zum Index. Das stelle »einen Bruch des Versprechens aus dem Pariser Klimaabkommen dar, die Schwächsten zu priorisieren«. Die Unterfinanzierung verschärfe »bestehende Ungleichheiten und gefährdet die am meisten betroffenen Gemeinschaften«.
Die BRD ist einer der größten bilateralen Geber im Bereich Klimaanpassung. Aber nach dem weitgehenden Rückzug der USA wächst die Finanzierungslücke. Am härtesten betroffen sind afrikanische Länder wie Nigeria, Uganda und die Demokratische Republik Kongo. Sie verlieren durch den von US-Präsident Donald Trump forcierten Politikwechsel erhebliche Summen. In Eswatini, einem kleinen Staat im Süden Afrikas, und auf Jamaika machten US-Gelder über die Hälfte der Anpassungsfinanzierung aus.
Minninger kritisierte, dass die Bundesregierung das Versprechen gebrochen habe, einkommensschwache Länder bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise jährlich mit sechs Milliarden Euro zu unterstützen. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte diese Zusage beim G7-Gipfel 2021 gemacht, ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) hatte es ein Jahr später bekräftigt. Statt der sechs Milliarden seien jetzt aber nur fünf Milliarden Euro dafür vorgesehen. Es sei im »ureigenen Interesse« Deutschlands, dass die Folgen der Klimakrise abgemildert werden. Denn damit bekämpfe man »die Ursachen von Flucht – und nicht die Flüchtlinge«, erklärte Minninger.
Die Klimareferentin mahnte zudem an, dass beim Thema Klimaanpassung die Geschlechtergerechtigkeit mehr Beachtung finden müsse. Einige Klimafonds förderten mittlerweile nur noch Vorhaben, die die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebenslagen der Geschlechter zumindest berücksichtigen. Da müsse aber noch viel mehr geschehen.
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