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Aus: Ausgabe vom 22.10.2025, Seite 5 / Inland
Energiepolitik

Vorzeitig verpufft

Wettbewerbsverzerrung durch Beihilfen: Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche zum Gaskraftwerksausbau durch EU durchkreuzt
Von Gudrun Giese
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Heizkraft mit Erdgas: Branche fossiler Energieträger steht mächtig unter Strom (Essen, 15.10.2025)

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat ihr Amt auch dem Umstand zu verdanken, dass sie als strikte Gegnerin des energiepolitischen Kurses der Ampelregierung gilt. Statt auf den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger setzt Reiche auf klimaschädliche Gaskraftwerke. Nun könnten allerdings EU-Gremien ihr Vorhaben zur Expansion dieser fossilen Technologie zum Teil stoppen.

Eigentlich wollte das Wirtschaftsministerium Gaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 20 Gigawatt bauen lassen. Doch laut einem Bericht des Spiegels vom Dienstag wird daraus nichts. Mit Verweis auf ein vertrauliches Gespräch zwischen Vertretern des Ministeriums und Chefs der Energieunternehmen soll mit der EU-Kommission lediglich über den Bau von Gaskraftwerken im Umfang von zwölf bis 12,5 Gigawatt verhandelt werden. Diese Größenordnung war bereits unter Reiches Vorgänger Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geplant. Eine direkte Bestätigung des Ministeriums für den Gesprächsinhalt bekam der Spiegel zwar nicht. Doch verwies ein Sprecher auf Reiches Äußerung vom August, wonach der Gaskraftwerkausbau weniger als 20 Gigawatt umfassen werde. Mehr als die Hälfte dieser 20 Gigawatt sei in Brüssel ausgehandelt worden, hieß es damals. Wegen der staatlichen Förderung braucht das Reiche-Ressort grünes Licht aus Brüssel für das Vorhaben.

Auch Vorgänger Habeck habe neue Gaskraftwerke geplant, berichtete am Dienstag N-TV.de. Damit sollten sogenannte Dunkelflauten abgedeckt werden, also Zeiträume, in denen weder aus Wind noch aus Sonne genügend Strom gewonnen werden kann. Die damals geplanten 12,5 Gigawatt Gaskraftwerksleistung sollten sich für die spätere Umrüstung auf Wasserstoff eignen. Davon war im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD nicht mehr die Rede, dafür aber von bis zu 20 Gigawatt aus neuen Gaskraftwerken bis 2030. Inzwischen zeichnet sich nicht nur die deutliche Verringerung der Kapazitäten wegen der Einschränkung durch die EU ab. Bisher gibt es auch noch gar keine Ausschreibungen für die ersten neuen Kraftwerke mit alter Technik. Laut N-TV.de sei frühestens im Frühjahr 2026 damit zu rechnen.

Ungemach droht dem Projekt auch aus dem Bereich der Kritiker »fossiler« Technik. So möchte das Berliner Energie-Startup »1Komma5 Grad« verhindern, dass die EU-Kommission überhaupt Fördermittel für den Ausbau von Gaskraftwerken genehmigt. Das Wirtschaftsmagazin Capital meldete am Dienstag, dass »1Komma5 Grad« in Brüssel Beschwerde gegen die beantragte Kraftwerkssubventionierung eingereicht habe. Begründet worden sei dieser Vorstoß mit einer absehbaren Wettbewerbsverzerrung durch die Beihilfen. »Die Kraftwerksstrategie darf nicht alte Strukturen einseitig zementieren, sondern muss die wirtschaftlichsten und klimafreundlichsten Lösungen berücksichtigen«, erklärte Philipp Schröder, Chef des Startups, in einer Mitteilung. Die Pläne zum Ausbau »fossiler« Gaskraftwerke seien wettbewerbsverzerrend und trieben die Kosten für die Energiewende unnötig in die Höhe. Die Subventionierung neuer Gaskraftwerke wäre beihilferechtlich nur zulässig, wenn nicht extrem in den Wettbewerb eingegriffen werde, zugleich die Maßnahmen »technologieoffen, notwendig und angemessen« seien und somit »keine besseren Instrumente ohne Subventionen bestehen«, heißt es weiter. »1Komma5« sieht die Vorgaben des Beihilferahmens durch die Kraftwerksstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums als nicht erfüllt an und hat das der EU-Kommission dargelegt.

Das Startup sehe durch die Förderung von Gaskraftwerken sein eigenes Geschäftsmodell bedroht, hieß es in Capital. »1Komma5« schaltet dezentrale Stromerzeuger, etwa Solaranlagen, Batteriespeicher und Wärmepumpen, zu »virtuellen Kraftwerken« zusammen. Überschüssiger Strom wird zu einem günstigen Zeitpunkt angeboten oder eingesetzt, um das Netz zu stabilisieren. Gemeinsam mit Lichtblick, Thermondo und anderen hat das Startup die »New Energy Alliance« gegründet, die sich für dezentrale Lösungen im Energiesektor stark macht.

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