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15.10.2025, 14:47:38 / Inland
Buchbranche

Offener Brief zum Deutschen Verlagspreis

Der Bremer Donat-Verlag steht für eine konsequente Friedenspolitik. Jetzt wurde er bei der Förderung kleiner Verlage erneut übergangen
Von Siegfried Kratzer
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Der Deutsche Verlagspreis wird im Rahmen der Frankfurter Buchmesse verliehen

Bei der Vergabe des Deutschen Verlagspreises an diesem Mittwoch anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse ist der Bremer Donat-Verlag erneut leer ausgegangen. Der 2019 von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters ausgelobte Deutsche Verlagspreis verfolgt den Zweck der Förderung kleiner, unabhängiger Verlage und hat sich seitdem zu einem wichtigen Förderinstrument der Branche entwickelt.

Wir dokumentieren im Folgenden einen an Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gerichteten offenen Brief zu diesem Fall. Einer der Mitunterzeichner, der Schriftsteller und Journalist Claus-Peter Lieckfeld, gibt zu bedenken: »Es mutet an wie eine böse Pointe: Da schreibt, spricht, veröffentlicht ein Autor und Verleger – unermüdlich und auf hohem wissenschaftlichen, intellektuellen Niveau – gegen das Vergessen und wird vergessen. Beziehungsweise bleibt ohne Preis. Preisverleiher sind nicht in der Pflicht, zu begründen, warum jemand einen Preis nicht bekommen hat. Und doch wäre in diesem Fall eine Erklärung mindestens aufschlussreich.«

Wer das Anliegen mit seiner Unterschrift unterstützen will, kann sich bei siegfried.kratzer@online.de oder bei info@donat-verlag.de melden. (jW)

***

Offener Brief an Herrn Dr. Wolfram Weimer, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, 13. Oktober 2025.

Sehr geehrter Herr Staatsminister Weimer,

wir erlauben uns, Sie auf einen Missstand aufmerksam zu machen, und bitten Sie, sich mit dem Fall zu befassen und Abhilfe zu schaffen. Es geht um eine uns unverständliche und nicht nachvollziehbare Entscheidung bei der Vergabe des diesjährigen Deutschen Verlagspreises.

»Zu den Verdiensten des Verlags, den Helmut Donat engagiert in Bremen betreibt, gehört«, so der Historiker Wolfgang Benz in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, »die Pflege des Themas Pazifismus, nicht zuletzt durch die Entdeckung und Ausgrabung historischer Texte sowie durch Biographien zu Unrecht vergessener Friedensfreunde. Der Verleger nimmt sich gern selbst in die Pflicht, wird aber vor allem von einem Stamm ausgewiesener Autoren unterstützt, die sein Haus zum Markenzeichen für die historische und aktuelle Friedensbewegung machen. Bemerkenswert auch die überaus günstigen Preise der schön gedruckten und ausgestatteten Bücher.«

Um so erstaunlicher wirkt es, dass der Donat-Verlag kürzlich erneut – und damit zum sechsten Mal hintereinander – bei der Vergabe des Deutschen Verlagspreises nicht berücksichtigt worden ist. Donat selbst hat in einem offenen Brief am 21. September 2023 an die damalige Bundeskulturministerin Claudia Roth die Vergabemodalitäten kritisiert. Das führte zu einigen Neuerungen. An dem von Professor Jürgen Reulecke, Vorsitzender der »Stiftung Dokumentation der Jugendbewegung«, bereits 2021 verdeutlichten Missstand änderte sich aber nichts. Reulecke hatte beklagt, dass in der Jury kein Historiker, Politologe oder Soziologe vertreten sei und »darunter eine sachgerechte Einschätzung der Arbeit H. Donats zu leiden gehabt hat«.

Es sei dahingestellt, ob bei der Entscheidung der Jury eventuell auch politische Gründe eine Rolle gespielt haben. Wir hoffen sehr, dass dem nicht so ist, denn H. Donat zeigt auf, dass die im Kaiserreich und in der Weimarer Republik oft als weltfremd verspotteten Pazifisten ein realitätsgerechteres Bild von der Bedrohungslage und dem Zukunftskrieg hatten als jene Militärs, Politiker und Journalisten, die einer ungebremsten Aufrüstung das Wort redeten und für sich den Sachverstand reklamierten. Parallelen zum heutigen Diskurs sind unverkennbar.

In der Verlagslandschaft stellt Donat auch insofern eine große Ausnahme dar, als er neben seiner Verlagstätigkeit auch als Autor, Publizist, Redner, Herausgeber von Büchern und Verfasser wichtiger Abhandlungen zu historisch-politischen Themen tätig ist. Seine Veröffentlichungsliste – auch das dürfte im Verlagsgewerbe unvergleichlich sein – umfasst über zwanzig Seiten. Für seine »herausragende verlegerische Leistung« ist er bislang als einziger Verleger 1996 überhaupt mit dem hochdotierten Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg ausgezeichnet worden. Seither ist sein Engagement weiterhin bedeutend, wichtig und in hohem Maße anerkennenswert geblieben. Insbesondere setzt er sich für die Erinnerung an zu Unrecht vergessene Persönlichkeiten ein; sie sind in der Weimarer Republik für Frieden und Freiheit, Völkerverständigung und soziale Gerechtigkeit eingetreten, haben den Antisemitismus bekämpft und vor dem Weg in die Barbarei gewarnt.

Zu Donats Wirken hat Heribert Prantl in seiner Wochenschau »Prantls Blick« im Juni 2022 erklärt: »Man darf den 75jährigen Verleger Donat als einen herausragenden und aufklärerischen Verleger preisen, als einen Verleger in der Nachfolge von Alfred Hermann Fried.« Ähnlich äußerte sich der Militärhistoriker und Friedensforscher Wolfram Wette: »Die bleibende Bedeutung dieses lebenslangen Kampfes gegen das Vergessen kann gar nicht überschätzt werden. Geht es doch um den historischen Nachweis, dass es selbst in der Zeit des kriegerischen ersten deutschen Nationalstaats (1871–1945) (…) einen lebendigen Gegenvorschlag zum kriegerischen Politik- und Gesellschaftsentwurf gab.«

Vor diesem Hintergrund ist es unseres Erachtens geboten, dass Sie den Gründen nachgehen, die mit der erneuten Nichtberücksichtigung des Donat-Verlages verbunden sind.

Mit freundlichen Grüßen und im Namen aller Unterzeichner,

Siegfried Kratzer, früherer Vorsitzender und Leiter des Evangelischen Bildungswerkes Oberpfalz, Amberg

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