Gegründet 1947 Donnerstag, 4. Dezember 2025, Nr. 282
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 20.10.2025, Seite 4 / Inland
Aufrüstung

Abschreckende Musterung

Mehr Anfragen zur Kriegsdienstverweigerung. Pistorius wirbt weiter für allgemeine Musterung
Von Henning von Stoltzenberg
imago58871205.jpg
Tauglich gemustert: Blick in den Warteraum einer Kaserne in Berlin-Grünau vor der Aussetzung der Wehrpflicht (3.5.2009)

Die Kriegspropaganda und die Pläne für einen neuen Wehrdienst mit mehr oder weniger ausgeprägter Pflicht haben Folgen. Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung registrieren immer mehr Zulauf. »Wir werden gerade nahezu überflutet von Anfragen«, sagte der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Michael Schulze von Glaßer, am Wochenende dem RND. 125.000mal sei die Webseite im September aufgerufen worden – gegenüber 55.000 Aufrufen im August. Der Anteil der anfragenden besorgten Eltern wachse. Auch die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden berichtete über mehr Zulauf: »Was in diesem Jahr auffällt, ist, dass es eine spürbare und deutliche Zunahme an Beratungsanfragen durch Eltern gibt, die sich wegen ihrer minderjährigen Söhne und Töchter besorgt zeigen bezüglich einer möglichen Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder eines neuen Wehrdienstes«, sagte ihr Sprecher Dieter Junker dem RND.

Derweil zeigt eine aktuelle Umfrage, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen das offensichtlich als Erleichterung für den Einstieg in eine allgemeine Wehrpflicht ausgeknobelte Losverfahren ist. Rund 60 Prozent der Befragten halten laut der Umfrage für Bild am Sonntag eine Regelung für falsch, bei der bei zu wenigen Freiwilligen zukünftig ausgelost werden soll, wer gemustert und unter entsprechenden Umständen zu einem sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet werden soll. Insbesondere jüngere Befragte sind demnach eindeutig gegen ein Losverfahren. In der Altersgruppe der 18- bis 29jährigen sind lediglich 20 Prozent dafür.

Auf die konkrete Frage, ob die 2011 ausgesetzte, aber nicht ein für allemal abgeschaffte Wehrpflicht wieder eingesetzt werden solle oder es statt dessen eher ein Freiwilligenmodell geben soll, sprachen sich 44 Prozent der Befragten für die Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Immerhin 38 Prozent wollen das nicht und pochen auf ein Freiwilligenmodell. Zwölf Prozent wollen beides nicht, sechs Prozent machten keine Angabe.

Verteidigungsminister Boris Pistorius bekräftigte nach dem jüngsten Streit um den Entwurf des neuen Wehrdienstgesetzes am Wochenende, dass er größten Wert auf eine allgemeine Musterung für alle jungen Männer legt. Unterstützung dafür suchte er wie üblich über antirussische Rhetorik zu mobilisieren. Eine Musterung aller jungen Männer sei nämlich ein abschreckendes Signal gegenüber Russland. »Wenn wir wieder alle Männer eines Jahrgangs mustern und die Daten aller Wehrfähigen erheben, wird das auch in Russland wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Auch das ist Abschreckung!«, versicherte der SPD-Politiker in Bild am Sonntag. Dass mit einer allgemeinen Musterung der Einstieg in eine allgemeine Wehrpflicht wesentlich leichter möglich ist, erwähnte Pistorius wohlweislich nicht.

Sollte der »Verteidigungsfall« eintreten, den es zu verhindern gelte, trete nach dem Grundgesetz die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht unmittelbar wieder in Kraft, so der Minister. »Dann müssen wir wissen, wer einsatzbereit ist und wer nicht«, erklärte Pistorius und nannte in diesem Zusammenhang die mit der Aussetzung verbundene Abschaffung der Kreiswehrersatzämter einen schwerwiegenden Fehler. »Wir bauen jetzt neue, moderne Strukturen auf. Ab Mitte 2027 sind wir soweit. Dann können wir wieder flächendeckend mustern«, kündigte er an. Abgesehen davon müsse nun im Parlament entschieden werden, ob es ein Losverfahren geben soll: »Wir werden uns als Ministerium hier selbstverständlich ebenfalls einbringen.« Ihm sei wichtig, dass so lange wie möglich auf Freiwilligkeit »gesetzt« werde. Mit Blick auf eine Einigung zeigte sich Pistorius optimistisch: »Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Alle im Bundestag wissen: Es geht um die Sicherheit Deutschlands.«

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Regio:

Mehr aus: Inland