Der feine Unterschied
Von Kristian Stemmler
In Berlin befasst sich das CDU-Präsidium seit Sonntag nachmittag in Klausur mit einer für die Politik der Partei in den kommenden Jahren voraussichtlich sehr wesentlichen Frage. Es geht um den Umgang mit der AfD, insbesondere auch mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr. Nach einem Vorstoß ehemaliger Unions-Granden, die in der vergangenen Woche dafür plädiert hatten, im Zweifel auch parlamentarische »Beschlüsse« mit der AfD zusammen zu erreichen, bemühte sich Parteichef und Bundeskanzler Friedrich Merz vor Beginn der Klausur sichtlich, diejenigen in der Partei zu beruhigen, die das nicht wollen. »Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, jedenfalls nicht unter mir als dem Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands«, sagte er am Sonnabend bei einer Veranstaltung der CDU in Meschede. Der Unionsfraktionschef bezeichnete die AfD gegenüber Bild am Sonntag als »Putin-Partei«.
Zwischen der CDU und der AfD gebe es »keine Gemeinsamkeiten«, behauptete Merz. Vielmehr gebe es »fundamentale Unterschiede«. So stehe die AfD gegen die EU, gegen die Währungsunion, gegen die NATO und gegen die Wehrpflicht. Sie stehe mithin gegen alles, »was die Bundesrepublik Deutschland in den letzten acht Jahrzehnten groß und stark gemacht hat«, so Merz. Gleichzeitig sprach sich Merz deutlich gegen ein Verbotsverfahren aus. Vielmehr müsse die CDU sich inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen und den Wählern bessere politische Angebote machen.
Zuvor hatte Merz die AfD bereits in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum »Hauptgegner« der Union erklärt und betont: »Wir werden noch viel deutlicher die Unterschiede zwischen uns und der AfD herausstellen.« Im »Meinungskampf mit der AfD« und in den bevorstehenden Wahlkämpfen werde es vermutlich allein um die Frage »die oder wir« gehen. »Die immer wieder von der AfD bemühte ›ausgestreckte Hand‹ will uns in Wahrheit vernichten«, so der Parteichef.
Dies heiße allerdings nicht, dass man keine Anträge mehr in den Bundestag einbringen dürfe, denen die AfD zustimmen könnte. »Wenn wir etwas für richtig halten, dürfen wir uns nicht von der AfD abhängig machen«, erklärte Merz in dem Interview. Eine Absage an Mehrheiten unter Einbeziehung der AfD war das nicht. Das kann schon im nächsten Jahr etwa in Sachsen-Anhalt den feinen Unterschied ausmachen: Wenn dort die AfD stärkste Partei wird, könnte die CDU versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden, die auch mit Hilfe der AfD Gesetze beschließt – und gleichzeitig versichern, es gebe keine formelle »Zusammenarbeit«.
Die Debatte über den Umgang mit der AfD hatten drei ehemals einflussreiche Unionspolitiker losgetreten. Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber, Exverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der frühere Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder. Vor der Präsidiumsklausur wagten sich auch ostdeutsche CDU-Politiker aus der Deckung: So kritisierte der sächsische CDU-Generalsekretär Tom Unger, die Art, mit der alle anderen Parteien in den vergangenen Jahren mit der AfD umgegangen seien, habe nicht dazu geführt, dass sie schwächer geworden sei. Die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig forderte gegenüber Bild, der AfD »demokratische Rechte zuzugestehen wie Ausschussvorsitze und Vizepräsidenten«. Von diesen Vorstößen zeigte sich SPD-Fraktionschef Matthias Miersch am Sonntag gegenüber Reuters »irritiert«.
Auch der Koalitionspartner der Union schaltete sich in die Debatte ein. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erklärte gegenüber Bild am Sonntag, er erwarte von allen in der Union, die Verantwortung tragen, »dass sie sehr deutlich machen: Mit der AfD gibt es keinerlei Form der Zusammenarbeit, weder im Bund noch in den Ländern«. Diese Festlegung sei »für uns eine Eintrittsbedingung in die Bundesregierung« gewesen. Er habe zwar keine Zweifel daran, dass Merz jede künftige Zusammenarbeit mit der AfD ablehne, fügte Klingbeil hinzu. Aber er nehme natürlich wahr, »dass es andere in der CDU gibt, die versuchen, diese klare Abgrenzung aufzuweichen«. Dies müsse »dringend gestoppt werden«.
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