Schröder sagt aus
Von Marc Bebenroth
Der alte Sozialdemokrat und Hartz-IV-Kanzler verstand es am Freitag, den Kern des Ganzen auf den Punkt zu bringen. »Russland wollte Gas verkaufen, Deutschland wollte es kaufen«, erklärte Gerhard Schröder während seiner mehr als zwei Stunden dauernden Zeugenbefragung im Schweriner Landtag. Dort hat der Untersuchungsausschuss zur Klimastiftung MV getagt. Diese Stiftung war 2021 von Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet worden, um Bau und Betrieb der Ostseepipeline Nord Stream 2 für russisches Erdgas abzusichern. Aus Landesmitteln flossen 200.000 Euro, von der Nord Stream 2 AG 20 Millionen Euro in die Stiftung. Schröder war seit 2016 Vorsitzender des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG und aus Rücksicht auf die Gesundheit des 81jährigen per Video aus seinem Büro in Hannover zugeschaltet.
Da dürfte es niemanden überraschen, dass Schröder den Bau der Leitung verteidigte. Auch die Gründung der Stiftung sei eine »außerordentlich vernünftige Entscheidung« gewesen, sagte er. Die BRD habe sich unter der von ihm geleiteten »rot-grünen« Bundesregierung (1998 bis 2005) von der Stromerzeugung durch Kernenergie abwenden wollen und für die Sicherstellung der Energieversorgung auf Kohle und Erdgas gesetzt. Letzteres konnte aus Russland besonders niedrig bepreist bezogen werden. Des Pudels zweiter Kern: »Die Stiftung war ein Instrument, um amerikanische Interventionen in unsere Energiepolitik zu verhindern«, erklärte der Zeuge.
Die Pipeline wurde fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb. Am 26. September 2022 war schließlich ein Abschnitt an einem von zwei Strängen bei einem Anschlag zerstört worden. Dabei waren von der Gas transportierenden Pipeline Nord Stream 1 beide Stränge an einer Stelle gesprengt worden. Bis heute zeigen vor allem deutsche Ermittler wenig Aufklärungseifer und scheinen der Version anzuhängen, wonach ukrainische Akteure mit einer kleinen Segeljacht den Anschlag am Meeresboden verübt hätten, obwohl größter Nutznießer die Flüssiggas exportierenden USA sein dürften. So berichtete der Journalist Seymour Hersh unter Verweis auf Insiderquellen, dass das US-Militär und die Regierung von Expräsident Joe Biden verantwortlich waren.
Eifrig wird dagegen, entsprechend der transatlantischen Frontstellung – Russland: der Feind und Reich des Bösen, USA: Befreier und Schutzmacht –, nach einem Schuldigen für die Existenz der Ostseepipeline sowie der sie stützenden Stiftung gesucht. Der große Nutzen für die exportorientierte deutsche Industrie interessiert die Inquisitoren bemerkenswerterweise deutlich weniger als Schröders für gut befundene Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie seine Tätigkeit für die russischen Konzerne Gasprom und Rosneft. »Ich war nach Kräften bemüht, Nord Stream 2 hinzukriegen. Ich war am Baufortschritt interessiert und dafür habe ich auch Gespräche geführt«, sagte Schröder und wies darauf hin, dass für ein Teilstück der Pipeline nicht nur er, sondern auch seine Nachfolgerin im Kanzleramt, Angela Merkel (CDU), unterschrieben hatte.
Einwände zum Beispiel aus Polen gegen den Bau durch die Ostsee »interessierten mich nicht«, führte der Befragte aus. Die Pipeline sei so geplant worden, »weil wir keine Interventionen anderer Länder wollten«. Die damalige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland nannte Schröder »Friedenspolitik«, und so solle sie weiterhin bezeichnet werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Horst R. aus Zwickau (19. Oktober 2025 um 17:20 Uhr)Man mag zu Schröder stehen, wie man will. Doch einige wenige deftige Worte erlaube ich mir: Der Mann hat vor dem Untersuchungsausschuss Rückgrat und »einen Arsch in der Hose« bewiesen. Die deutsche Wirtschaft durch den Handel mit Russland stärken zu wollen, was soll daran falsch sein? Wessen Interessen unsere heutigen verantwortlichen Politiker bedienen, dazu äußere ich mich hier im Moment lieber nicht. Sonst packt mich nur der Zorn.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (18. Oktober 2025 um 03:41 Uhr)Ein Land, in dem nach dem »Schuldigen« für die Errichtung einer Gasleitung gesucht wird, die eine Lebensader der deutschen Industrie darstellte, während offensichtlich kein Interesse daran besteht, den Schuldigen für die Sprengung dieser Leitung zu benennen, ist in seiner Gesamtheit reif für die Psychiatrie. Man gibt vor, den Täter zu suchen, obwohl man ihn kennt. Geheimdienste, militärische Führung und damit die Bundesregierung wissen mit Sicherheit, wer es war. Die Ostsee ist in dieser Gegend lückenlos überwacht. In Dänemark gibt es Zeugenaussagen mutiger Inselbewohner, die sich nicht an das ihnen auferlegte Schweigegebot halten. Die besagte ukrainische Segeljacht wurde dort nie – wie behauptet – im Hafen gesichtet, dagegen drei US-amerikanische Schiffe am Ort der Sprengung. Die deutsche Bevölkerung schweigt dagegen unaufgefordert freiwillig, abgesehen von einzelnen mahnenden Stimmen. Dies ist nicht die peinliche Leisetreterei einer Regierung allein, sondern die nahezu des ganzen Landes. Der tatsächlich stattgefundene größte Terroranschlag gegen die BRD interessiert überhaupt nicht, während erfundene russische Bedrohungen das Meinungsbild prägen. Politiker, überhaupt alle Menschen, die jemals gute Kontakte zu Russland pflegten, gehören auf die Anklagebank, nicht etwa die, welche seit 1949 treu zu den USA einschließlich all ihrer verbrecherischen Kriege und Handlungen standen. Die gute Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland begann ja bereits bei der Ausrüstung der Wehrmacht und wurde unmittelbar 1945 nach den Atombombenabwürfen in Japan wieder aufgenommen. Aber nun wenden wir uns doch lieber der hybriden Bedrohung durch Russland zu und den so schädlichen Wirtschaftsbeziehungen zu Moskau. Gegen solche Verformungen der Gehirnfunktionen ist jeder Psychiater machtlos.
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