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Aus: Ausgabe vom 18.10.2025, Seite 4 / Inland
Ostseepipeline und Klimastiftung

Schröder sagt aus

Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag befragt Exkanzler und Konzernlobbyist zu Klimastiftung MV sowie Ostseepipeline Nord Stream 2
Von Marc Bebenroth
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Frühere Termine hatte Gerhard Schröder aus gesundheitlichen Gründen abgesagt (Hannover, 20.5.2025)

Der alte Sozialdemokrat und Hartz-IV-Kanzler verstand es am Freitag, den Kern des Ganzen auf den Punkt zu bringen. »Russland wollte Gas verkaufen, Deutschland wollte es kaufen«, erklärte Gerhard Schröder während seiner mehr als zwei Stunden dauernden Zeugenbefragung im Schweriner Landtag. Dort hat der Untersuchungsausschuss zur Klimastiftung MV getagt. Diese Stiftung war 2021 von Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet worden, um Bau und Betrieb der Ostseepipeline Nord Stream 2 für russisches Erdgas abzusichern. Aus Landesmitteln flossen 200.000 Euro, von der Nord Stream 2 AG 20 Millionen Euro in die Stiftung. Schröder war seit 2016 Vorsitzender des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG und aus Rücksicht auf die Gesundheit des 81jährigen per Video aus seinem Büro in Hannover zugeschaltet.

Da dürfte es niemanden überraschen, dass Schröder den Bau der Leitung verteidigte. Auch die Gründung der Stiftung sei eine »außerordentlich vernünftige Entscheidung« gewesen, sagte er. Die BRD habe sich unter der von ihm geleiteten »rot-grünen« Bundesregierung (1998 bis 2005) von der Stromerzeugung durch Kernenergie abwenden wollen und für die Sicherstellung der Energieversorgung auf Kohle und Erdgas gesetzt. Letzteres konnte aus Russland besonders niedrig bepreist bezogen werden. Des Pudels zweiter Kern: »Die Stiftung war ein Instrument, um amerikanische Interventionen in unsere Energiepolitik zu verhindern«, erklärte der Zeuge.

Die Pipeline wurde fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb. Am 26. September 2022 war schließlich ein Abschnitt an einem von zwei Strängen bei einem Anschlag zerstört worden. Dabei waren von der Gas transportierenden Pipeline Nord Stream 1 beide Stränge an einer Stelle gesprengt worden. Bis heute zeigen vor allem deutsche Ermittler wenig Aufklärungseifer und scheinen der Version anzuhängen, wonach ukrainische Akteure mit einer kleinen Segeljacht den Anschlag am Meeresboden verübt hätten, obwohl größter Nutznießer die Flüssiggas exportierenden USA sein dürften. So berichtete der Journalist Seymour Hersh unter Verweis auf Insiderquellen, dass das US-Militär und die Regierung von Expräsident Joe Biden verantwortlich waren.

Eifrig wird dagegen, entsprechend der transatlantischen Frontstellung – Russland: der Feind und Reich des Bösen, USA: Befreier und Schutzmacht –, nach einem Schuldigen für die Existenz der Ostseepipeline sowie der sie stützenden Stiftung gesucht. Der große Nutzen für die exportorientierte deutsche Industrie interessiert die Inquisitoren bemerkenswerterweise deutlich weniger als Schröders für gut befundene Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie seine Tätigkeit für die russischen Konzerne Gasprom und Rosneft. »Ich war nach Kräften bemüht, Nord Stream 2 hinzukriegen. Ich war am Baufortschritt interessiert und dafür habe ich auch Gespräche geführt«, sagte Schröder und wies darauf hin, dass für ein Teilstück der Pipeline nicht nur er, sondern auch seine Nachfolgerin im Kanzleramt, Angela Merkel (CDU), unterschrieben hatte.

Einwände zum Beispiel aus Polen gegen den Bau durch die Ostsee »interessierten mich nicht«, führte der Befragte aus. Die Pipeline sei so geplant worden, »weil wir keine Interventionen anderer Länder wollten«. Die damalige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland nannte Schröder »Friedenspolitik«, und so solle sie weiterhin bezeichnet werden.

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