Machtpositionen ändern
Von Jörg Kronauer
Nicht kleckern, sondern klotzen und vor allem Tempo machen: Das sind die Prämissen, von denen sich die EU-Kommission bei ihrem Plan zur weiteren Hochrüstung der Union leiten lässt. 2030 sollen die Mitgliedstaaten kriegsbereit sein; vor allem aber sollen sie schon 2026 erste Teilschritte vollzogen haben: Nur so – wenn überhaupt – lässt sich erreichen, dass mehrjährige Pläne halbwegs eingehalten und nicht erst Jahre später abgehakt werden. Dass Kredite von bemerkenswerten 150 Milliarden Euro für die Rüstung zur Verfügung stehen, ist nicht neu. Jetzt hat die Kommission Schwerpunkte festgelegt, Prioritäten gesetzt, den Rahmen straffer gespannt.
Wie so häufig, wenn irre Summen ausgegeben und Pläne dafür geschmiedet werden, geht es aber auch um mehr: Es geht darum, welcher Staat welche Gelder bekommt, wer damit seine Industrie füttern und seine Technologie weiterentwickeln kann. Und nach Lage der Dinge kann Deutschland dabei auf echte Vorteile hoffen. Was etwa den »Drohnenwall« angeht: Dafür sind deutsche Rüstungsstartups bestens aufgestellt, Drohnenproduzenten wie Helsing oder auch Quantum-Systems. Helsing-Aufsichtsratschef Tom Enders, einst Airbus-Manager, heute Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), hatte schon im März einen solchen »Drohnenwall« gefordert; Helsing hat bereits bald danach bekanntgegeben, am entsprechenden Aufbau interessiert zu sein. Ein Vorteil des Vorhabens: Es benötigt Tausende Drohnen. Wer daran mitwirkt, kann auf Staatskosten eine Massenproduktion von Drohnen hochfahren.
In der militärischen Drohnenindustrie haben sich deutsche Startups inzwischen eine gute Ausgangsposition verschafft. Wenig präsent in der Branche ist die französische Konkurrenz, der damit der »Drohnenwall« wohl wenig nutzt. Ob sie beim Aufbau einer Flugabwehr, des European Air Shield, ein wenig aufholen kann, ist ungewiss. Viel Geld verdienen wird wohl Diehl mit seinem auf kürzere Strecken ausgerichteten IRIS-T-System. Gegen ballistische Raketen setzt Deutschland bisher auf das israelische »Arrow 3«. Bei Reichweiten dazwischen rivalisieren das US-System »Patriot« und das französisch-italienische System SAMP/T. Die Führung beim European Air Shield hat sich Berlin gesichert. Ob und, wenn ja, inwieweit französische Rüstungskonzerne profitieren, darauf hat die Bundesregierung deshalb starken Einfluss. Die erbitterten Verteilungskämpfe in der EU setzen sich auch im Modus der Aufrüstung unverändert fort – und es sieht stark danach aus, dass einmal mehr Deutschland die Nase vorn hat. Militarisierung hat viele Aspekte; auf jeden Fall aber den: Sie lohnt sich – für kapitalistische Unternehmen und bestimmte Staaten. Also nicht nur wegen der Profite, die sie der Waffenindustrie bringt. Sie schafft auch Chancen, die Machtverhältnisse in der EU zu verschieben.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Oktober 2025 um 10:13 Uhr)Diplomatie ohne Macht ist nichts weiter als höflich verpackte Ohnmacht. Worte entfalten erst dann Gewicht, wenn sie von realer Handlungsfähigkeit getragen werden.
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