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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kunst

Stadtraum als Labor

Das Russische Haus in Berlin zeigt eine Ausstellung über Kunst im öffentlichen Raum
Von Hagen Bonn
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Eine Bewegung: Kunst im öffentlichen Raum

Es war das dritte große Multifunktionsgebäude der sozialistischen Hauptstadt: Nach dem Palast der Republik (1976) und dem Friedrichstadt-Palast, der im April 1984 seine Tore öffnete, wurde im Juli 1984 das »Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur« eröffnet. Das damalige Programm in der Berliner Friedrichstraße unterscheidet sich kaum vom heutigen: russische Sprache und Literatur, Kunst, Film, Theater und Musik, Volkskunst, Ballett, Raumfahrt und Sport. Klingt gut. Ist es auch.

Mehr als ein Wermutstropfen ist natürlich die aktuelle weltpolitische Lage. Die NATO gegen Russland, Deutschland mittendrin – das geht auch am Russischen Haus nicht spurlos vorbei. Trotz der Abkommen zwischen den Regierungen Russlands und Deutschlands über die Tätigkeit von Kultur- und Informationszentren ist es wahrscheinlich nur taktischen Erwägungen der BRD zu danken, dass »Putins Propagandahotspot« (Tagesspiegel) nicht schon geschlossen ist. Man will wohl verhindern, dass die Goethe-Institute in der Russischen Föderation ebenfalls geschlossen werden.

Unbekümmert von diesen Umständen lädt uns aktuell eine besondere Ausstellung in das Haus ein. Das Projekt »Public Art. Kunst im öffentlichen Raum Russlands« zeigt die Straßenkunst des Landes in all ihren Facetten. Ob kleine Reliefs, Sticker und Tags, aber auch großangelegte Projekte, wenn riesige Installationen Teile der Stadtlandschaft wie ein Oktopus umfassen. Das alles ist zuweilen staatstragend, auch wenn »Protest oder spontaner Gestus«, wie die Aussteller darlegen, freilich die Bewegung erst ins Rollen brachten.

Dieser Beweggrund schreibt sich mit seiner Formensprache so tief in die Künstler ein, dass in den monumentalen Wandmalereien und beeindruckenden Skulpturen eine ästhetische Reife zu erkennen ist, die den Schmutz dunkler Gassen und die Tristesse bröckelnder Fassaden hinter sich gelassen hat. Dass die offizielle »Berlin Art Week« das Russische Haus in ihren Programmen nicht erwähnt, war zu erwarten. Trotz vielfacher Versuche der Kooperation blieb nur die kalte Schulter. Pawel Iswolski, Direktor des gut geführten Hauses, meinte schulterzuckend auf meine Frage dazu: »Mittlerweile ist mir das egal.«

»Public Art. Kunst im öffentlichen Raum Russlands«, Russisches Haus, Berlin, Friedrichstraße 176–179, bis zum 31. Juli 2026

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