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Hopfen und Marx verloren

Von Pierre Deason-Tomory
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Bier? Bier

Als ich jung war und noch kein Morgen kannte, hatte ich eine Freundin. Sie war liebreizend und sehr talentiert, konnte zeichnen und fotografieren und mehr Bier trinken als ich. Politisch war sie unbestimmt, aber zielbewusst, ich hatte das letzte Wort, sie das letzte Bier. Ich erkannte, an ihr waren Hopfen und Marx verloren, und so musste ich mich von ihr trennen. O wie sehr ich sie vermisst habe! Inzwischen bin ich alt, habe kein Morgen mehr und eingesehen, dass in Wirklichkeit sie sich von mir getrennt hat und das Biertrinken ein unveräußerliches Frauenrecht ist.

Zustimmung kommt bestimmt von Annette Walter, sie ist eine Journalistin, die ihre vierte Gewalt zumeist ausübt in Sachen Theater, Film und Punkmusik. Nun hat sie ein Manifest abgeliefert über der Frauen Selbstermächtigung am Willibecher. Oder am Seidler, wie es bei ihr heißen müsste, Frau Walter ist im fränkischen Fürth geboren, einer Zumutung von Stadt, die umzingelt ist von einer beispiellosen Dorfbrauereilandschaft, welche dazu einlädt, sich auf einer Radtour totzusaufen. Sie schreibt, »mein wiederkehrender, ganz realer Alptraum ist, dass ich zu einem gesellschaftlichen Anlass eingeladen bin und es wieder kein Bier gibt«. Noch schlimmer: Sie werde als Frau schräg angeschaut, wenn es sie zum Gezapften zieht, denn »das Bier wird heute mehr denn je männlich gelesen«, sei aber zu wichtig, um es den Männern zu überlassen. Kurz: Annette Walter kann kein Mann mehr das Wasser reichen, sie verkündet in »Essay und Diskurs«: »Männerdomäne Bier? – Das muss (s)ich ändern!« (So., 9.30 Uhr, DLF)

Sonst läuft in dieser Radiowoche das Feature »Sesamstraße im Krieg – Donald Trump hat Angst vor Elmo« (Di., 19.15 Uhr, DLF). Markus Meyer liest im ORF-Radio-Kulturhaus aus dem Kunstmärchen ­»Der Geburtstag der Infantin« von Oscar Wilde (Mi., 21 Uhr, Ö 1). Ultramodern ist das Kryptomärchen »Fairycoin« von Natalie Baudy, das damit beginnt, dass sich der sagenhafte Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto auf den Mond schießen lässt (DLF Kultur 2025, Ursendung, Do., 22.05 Uhr). Der Schweizer Rundfunk wiederholt seine Dokumentation über legendären schwarzen Widerstand in den USA: »Langston Hughes, Zora Neale Hurston & die Harlem Renaissance« (SRF 2023, Fr., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).

Am Sonnabend haben wir zwei Angebote zu den drängenden Fragen der Zeit: »Hirnschmelze«, einen Mitschnitt von Fritz Eckengas aktuellem Programm vom 22. März aus der Kaue in Gelsenkirchen (15.04 Uhr, WDR 5), und das Originalhörspiel »Herr Biedermann und die Brandstifter« von Max Frisch (SRF 1953, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur). Dazu drei Opern zur Wahl: Mozarts »Le nozze di Figaro«, aufgezeichnet am 27. August in der Royal Albert Hall London (19.05 Uhr, DLF Kultur),»La Vestale« von Gaspare Spontini, gegeben im Juni 2024 in der Opéra Bastille in Paris (19.30 Uhr, Ö 1), und Charles Gounods »Roméo et Juliette« vom 21. Juni aus der Berliner Staatsoper Unter den Linden (20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur, WDR 3).

Nach viel großer Oper bleibt ein klein wenig Platz zur Ankündigung des erstklassig besetzten Oktoberfestfamiliendramas »Auf geht’s beim Schichtl!« von Justin Schröder (BR 1969, So., 15.05 Uhr, Bayern 2) und der neuen Ausgabe von »Beates Ampel« im Hamburger Freien Radio; Vertreter der Vereinigung Demokratischer Jurist*innen Hamburg und der GEW sowie zwei Fachschaftsräte informierten im Juli über »Radikalenerlass & neue Regelanfrage beim Verfassungsschutz« (Mo., 20 Uhr, FSK).

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