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Aus: Ausgabe vom 12.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
Politik

Wähler kaufen gehen

Von Bernhard Spring
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Da lacht die Infrastruktur: Brücke weg in Magdeburg (18.6.2025)

In Magdeburg knallen die Rotkäppchen-Sektkorken. Ganze 2,6 Milliarden schiebt der Bund nach Sachsen-Anhalt, bereitgestellt aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen Infrastruktur. Das Geld soll, wenn es nach Ministerpräsident Reiner Haseloff geht, möglichst schnell ausgegeben werden, damit die Bevölkerung noch vor der Landtagswahl im nächsten Jahr schnallt, dass so ein demokratischer Staat tatsächlich etwas rocken kann. Die letzte Umfrage sah da nicht so rosig aus: 39 Prozent der Sachsen-Anhalter würden heute die AfD wählen.

Nun wird das Vertrauen der Wähler also erkauft. Genau 1.397,48 Euro pro Wahlberechtigtem ist dem Bund ein weiterhin CDU-geführtes Sachsen-Anhalt wert. Denn die Konservativen sind die Einzigen, die es den Umfragen entsprechend mit der AfD aufnehmen könnten. Der Betrag kann sich sehen lassen: Jeder fünfte Sachsen-Anhalter verdient pro Monat netto genauso viel oder weniger. Aber handelt es sich, nur weil die Versuchung groß ist, auch um Bestechung? Dagegen spricht so einiges.

Zum einen sind keine Prestigeprojekte geplant, sondern leise, langfristig wirkende Maßnahmen. Der Regierung schwebt beispielsweise vor, ineffektive Heizungen in öffentlichen Gebäuden zu ersetzen. Dass in der Amtsstube von Brücken-Hackpfüffel irgendwann mal klimaneutral geheizt wird, lockt sicher keinen Wähler hinterm Ofen hervor.

Zum anderen agiert hier die öffentliche Verwaltung. Amtsschimmel und schnelle Umsetzung? Wer glaubt, dass beides zusammenpasst, kann ja mal spaßeshalber versuchen, nach einem Umzug innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen seinen neuen Wohnsitz anzumelden.

Zuletzt: Die Wähler interessieren sich gar nicht dafür. Laut einer aktuellen Umfrage liegt die Infrastruktur auf Platz zehn der heißesten politischen Themen. Gerade einmal drei Prozent der Sachsen-Anhalter halten es für relevant. Viel interessanter sind Einwanderung (21 Prozent), Bildung und Wirtschaft/Arbeitslosigkeit (jeweils 13 Prozent).

Da hat die Politik ja nicht gerade das Ohr am Volk, entspricht damit aber den Erwartungen der Bevölkerung: Die Abgehobenheit der Politik ist das fünftwichtigste Thema für die Wähler im Land.

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