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Aus: Ausgabe vom 10.09.2025, Seite 4 / Inland
Sauerland-Filz

Mit Kanonen auf Spatzen

Hausdurchsuchung bei SPD-Politikerin rechtswidrig. Sauerländer CDU-Politiker involviert
Von Max Ongsiek
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Eindeutige Botschaft an der Mendener Schützenhalle: »Merz auf’s Maul«

In Nordrhein-Westfalen sorgt die Durchsuchung des Elternhauses der SPD-Jungpolitikerin Nela Kruschinski am 1. April 2025 für Wirbel. Kruschinski wird verdächtigt, Urheberin großflächiger Anti-Merz-Graffiti an der örtlichen Schützenhalle zu sein. Laut Bericht des WDR-Magazins »Westpol« vom Sonntag sollen die Polizeibeamten bei der Mendener Juso-Vorsitzenden, Tochter des örtlichen SPD-Vorsitzenden Mirko Kruschinski, Handy, Laptop und Notizbücher beschlagnahmt haben. Wie die Staatsanwaltschaft Arnsberg am Dienstag gegenüber dpa mitteilte, dauern die Ermittlungen zu der Sachbeschädigung weiter an. »Nach hiesiger Bewertung besteht weiterhin ein Tatverdacht«, so die Staatsanwaltschaft.

Wie »Westpol« berichtete, hatte das Arnsberger Landgericht schon am 1. August entschieden, dass der Durchsuchungsbeschluss vom 28. Februar 2025 rechtswidrig gewesen sei. Nela Kruschinskis Verteidiger, Thomas Kutschaty, SPD-Landtagsabgeordneter und früherer NRW-Justizminister, hatte Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt – zunächst am Amtsgericht Arnsberg, das die Durchsuchung genehmigt hatte, danach mit Erfolg beim Landgericht als nächsthöherer Instanz.

Tatsächlich scheint die Arnsberger Staatsanwaltschaft den gesetzlich vorgeschriebenen Antrag auf Hausdurchsuchung gar nicht gestellt zu haben. Der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft habe nach Prüfung des Sachverhalts den Anfangsverdacht einer Straftat bejaht und über die Polizei einen entsprechenden formlosen Antrag auf Erlass zweier Durchsuchungsbeschlüsse stellen lassen, wie die Staatsanwaltschaft Arnsberg dpa am Dienstag auf Nachfrage mitteilte. Der Ermittlungsrichter soll laut WDR gegenüber dem höheren Gericht eingeräumt haben, dass er gar keinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft gehabt hatte. Das habe das Landgericht als »rechtsstaatlich bedenklich« beurteilt, so der »Westpol«-Bericht.

Wie der WDR recherchierte, gastierte Kanzlerkandidat Merz am 26. Januar 2025, also knapp einen Monat vor der Bundestagswahl, mit seiner Ehefrau Charlotte in der örtlichen Schützenhalle von Menden-Hüingsen. In der Nacht davor hatten Unbekannte ihre Kritik an der Veranstaltung mit Parolen wie »Merz aufs Maul« an der Wand der Halle kundgetan. Laut »Westpol« fußte der Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft auf der vagen Aussage einer Zeugin, die in der Nacht unweit der Schützenhalle eine Frau und einen Mann gesehen haben wollte. Ein anonym bei der Hagener Polizei eingegangener Hinweis soll zudem auf die Politikerin und ihren Begleiter hingewiesen haben.

Trotzdem unterzeichnete der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Arnsberg, ein Richter auf Probe, den Durchsuchungsbeschluss. Die Direktorin des Gerichts, Kanzlergattin und CDU-Mitglied Charlotte Merz, bestritt gegenüber WDR, von der richterlichen Anordnung gewusst zu haben.

Eine weitere CDU-Personalie brachte Thomas Kutschaty gegenüber »Westpol« ins Spiel: Wolfgang Exler. Der befragte als Kriminalbeamter die Zeugin in der Nähe der Halle. Ein Sprecher der zuständigen Hagener Polizei erklärte allerdings gegenüber WDR, dieser sei nie mit entsprechenden Ermittlungen beauftragt worden. Exler ist nicht nur CDU-Mitglied im Mendener Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister, sondern auch Vorstand des Schützenvereins, dessen Halle mit den Graffiti versehen wurde.

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