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Aus: Ausgabe vom 09.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
Unterhaltung

So hätte es sein sollen: »Dirty Dancing«

Von Bernhard Spring
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Entscheiden Sie mit: Worum geht es tatsächlich bei »Dirty Dancing«?

Früher oder später wird in allen Haushalten, in denen mindestens eine Frau wohnt, die große, alles entscheidende Frage gestellt: Worum geht es eigentlich in »Dirty Dancing«? Meine Frau sagt, um Abtreibung. Meine Tochter sagt, um die Rebellion eines Teenagers gegen die eigenen Eltern. Und schon ist eine leidenschaftliche Diskussion eröffnet.

Ich sage besser nichts, weil ich erstens als Mann nicht zugeben darf, diesen Film überhaupt zu kennen. Und zweitens ist meine Meinung problematisch, denn ich weiß: Es geht gar nicht um Baby Houseman, die ihren Sommer bei Kellerman’s verbringt und in dem Tänzer Johnny Castle ihre große Liebe entdeckt. Die Story erzählt eigentlich die Tragödie von Robbie, dem Kellner.

Robbie macht diesen einen dummen Fehler und sagt seiner Freundin Penny nicht, dass er nur eine »Freundschaft plus« will. Wäre er ehrlich gewesen, hätte sie die »Pille danach« genommen. Es hätte keine spätere Abtreibung und keinen krankheitsbedingten Ausfall gegeben. Baby hätte Penny nicht als Tänzerin vertreten müssen, es wäre kein Tanztraining mit Johnny notwendig gewesen. Die beiden wären sich nie nähergekommen.

Johnny hätte sich also weiterhin von seiner Affäre Vivian aushalten lassen. Sie hätte sich nicht mit Robbie trösten müssen und wäre dabei nicht von Babys Schwester Lisa erwischt worden, die in Robbie verknallt war. Lisa und Robbie hätten ein Paar werden können.

Kurz: Wäre Robbie ehrlich gewesen, wäre er mit Lisa zusammengekommen, während Baby und Johnny sich niemals näher kennengelernt hätten. Nur leider war Robbie zu anständig, um Penny zu sagen, dass es ihm nur um Sex ging.

Wenn ich die Geschichte so zu Hause erzähle, ernte ich entsetzte Blicke. Meine Tochter murmelt dann was von »Mansplaining« und »alter weißer Mann«. Und meine Frau lässt das Thema bis zum Schlafengehen nicht los: Was ist nur falsch mit dir? Wie kannst du ausgerechnet dieses Arschloch Robbie verteidigen!

Dass es die Pille danach 1963 – in dem Jahr, in dem der Film spielt – noch gar nicht gab, spielt in ihrer Fassungslosigkeit keine Rolle.

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