Dilettantische Infiltration
Von Martin Weiser, Seoul
Was die renommierte New York Times am Freitag berichtete, hat es in sich. Bereits 2005 soll eine US-Spezialeinheit die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) mit einem Mini-U-Boot infiltriert und Soldaten unbemerkt an Land abgesetzt haben. Wochen vor dem zweiten Treffen von US-Präsident Donald Trump mit seinem nordkoreanischen Amtskollegen Kim Jong Un im Februar 2019 in Vietnam wurde die Militäraktion dann noch einmal wiederholt. Angeblich sollte beim zweiten Mal nur eine neue Abhörvorrichtung installiert werden, um Kims Kommunikation vor dem Gipfeltreffen abzufangen. Dazu kam es aber nie. Als die US-Soldaten die etwa hundert Meter vom U-Boot bis ans Festland geschwommen waren, entdeckten sie auf einmal ein Fischerboot, und aus Angst, aufzufliegen, eröffneten sie das Feuer. Die Besatzung von zwei oder drei Mann war sofort tot. Die Eindringlinge stellten sicher, dass keiner überlebt hatte, warfen die Leichen ins Meer und verschwanden wieder.
Laut den Quellen der New York Times sei es unklar, ob die DVRK überhaupt von dieser US-Aktion wusste. Zumindest wurde sie nie öffentlich kritisiert, und Kim traf sich nicht nur im Februar in Hanoi, sondern auch im Juni an der innerkoreanischen Grenze mit Trump ohne Anzeichen für eine Verstimmung. Mit dem prominenten Bericht stellte die Zeitung aber sicher, dass Kim jetzt höchstpersönlich davon erfährt, und betonte auch noch, dass der US-Präsident den Einsatz in seiner ersten Amtszeit abgesegnet habe. Bereits im Herbst 2018, also nur ein paar Monate nach seinem ersten Treffen mit Kim in Singapur, soll er die Erlaubnis dazu gegeben haben. Im Artikel wird beteuert, es ginge darum, die Misserfolge dieser »Seals Six« genannten Spezialeinheit ans Licht zu zerren. Zitiert wird noch ein Rechtsprofessor, der erklärt, dass Trump sich vielleicht ein wenig strafbar gemacht habe. Schließlich hätte das US-Parlament bei solchen Einsätzen zumindest informiert werden müssen. Aber es wirkt doch sehr merkwürdig, dass Trump nur Tage vor der Veröffentlichung durchblicken ließ, er würde noch einmal mit Kim verhandeln und dann nicht wie 2019 einfach ohne Abkommen zurückkommen. Einfacher ließe sich ein dritter Trump-Kim-Gipfel wohl nicht sabotieren.
Dabei hatte die US-Regierung von Joe Biden, die von 2021 bis 2024 im Amt war, sich sehr schnell dieser Militäraktion angenommen. Direkt im ersten Jahr wurde eine Untersuchung eingeleitet und führenden Abgeordneten im Kongress der Abschlussbericht vorgelegt. Aber weder den involvierten Soldaten noch Trump konnte oder wollte man anscheinend ein Fehlverhalten nachweisen. Als der Präsident mit dem Zeitungsbericht konfrontiert wurde, meinte er, er könnte ja einmal nachschauen, habe aber von dieser Militäraktion noch nie gehört.
Die DVRK schweigt sich bisher aus zu dieser Verletzung ihres Territoriums und Ermordung ihrer Staatsbürger. Ob Trump diesen Vertrauensverlust kitten kann, scheint fraglich. Aber vielleicht war das Vertrauen auch nie da. Als im April 2018 Mike Pompeo, kurz zuvor vom CIA-Chef zum Außenminister gemacht, Pjöngjang besuchte, empfing ihn Kim mit einem Witz. Er hätte nicht gedacht, dass Pompeo wirklich in die DVRK kommen werde. Schließlich habe dieser versucht, ihn umzubringen. Pompeos halbernste Antwort: Er versuche es immer noch. Für eine Aufweichung der US-Sanktionen mag Kim deswegen gerne über all das hinwegsehen. Aber zumindest intern wird er wahrscheinlich schwere Konsequenzen ziehen müssen. Dass mit »Seals Six« genau dieselbe Einheit zum Einsatz kam, die 2011 Osama bin Laden exekutiert hat, wird wohl zusätzlich für Unmut sorgen bzw. die bereits vorhandene Angst vor ausländischen Attentaten auf Kim und seine Familie noch erhöhen.
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