Anerkennung unter Vorbehalt
Von Gerrit Hoekman
Belgien wird während der nächsten Sitzung der UN-Vollversammlung Ende September Palästina als Staat anerkennen. Zumindest fast. Das hat die Regierung in Brüssel nach stundenlangen Beratungen in der Nacht zu Dienstag beschlossen. Ministerpräsident Bart De Wever wird bis kommenden Freitag die von Frankreich und Saudi-Arabien auf den Weg gebrachte »New Yorker Erklärung« unterzeichnen, die einen Stufenplan für eine Zweistaatenlösung vorsieht. Allerdings soll die belgische Anerkennung erst in Kraft treten, wenn alle noch verbliebenen israelischen Gefangenen und Geiseln in Gaza freigelassen werden und die Hamas entmachtet ist.
Ferner verhängt Belgien ein Einfuhrverbot auf Waren, die aus den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in der besetzten Westbank stammen. Außerdem wird der Export und Transit von Waffen sowie Dual-Use-Gütern nach Israel untersagt; also Gütern, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich, die beiden extrem rechten Minister im Kabinett von Benjamin Netanjahu, dürfen nicht mehr nach Belgien einreisen. Das gilt ebenfalls für die politische Führungsriege der Hamas. Belgien will sich ferner verstärkt für medizinische Evakuierungen aus Gaza einsetzen. Für humanitäre Hilfe stellt das finanziell klamme Land weitere 12,5 Millionen Euro bereit.
Die Entscheidung der Regierung sei der »humanitären Katastrophe« geschuldet, die sich gerade in Palästina und besonders im Gazastreifen abspiele, erklärte Außenminister Maxime Prévot von der zentristischen Partei Les Engagés (Die Engagierten) am Dienstag in einer Pressemitteilung. »Wir mussten kräftige Beschlüsse fassen, um den Druck auf die israelische Regierung und die Terroristen der Hamas zu erhöhen«, so Prévot. »Es geht nicht darum, das israelische Volk zu sanktionieren, sondern sicherzustellen, dass seine Regierung das Völkerrecht und das humanitäre Recht respektiert.« Antisemitismus und die »Verherrlichung des Terrorismus durch Hamas-Anhänger« würden ebenfalls schärfer verurteilt.
Prévot will sich auf europäischer Ebene für eine Überprüfung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel starkmachen. Er hat bereits eine Liste von EU-Kooperationen mit Israel erstellt, die für ihn auf den Prüfstand gehören; unter anderem die Zusammenarbeit bei Forschung und Technologie. Sein niederländischer Amtskollege Caspar Veldkamp war am 22. August zurückgetreten, nachdem er die Koalition in Den Haag mit ähnlichen Forderungen nicht auf seine Seite ziehen konnte.
Die marxistische Oppositionspartei PTB/PVDA äußerte sich enttäuscht von den Maßnahmen der Koalition in Brüssel. »Sie dienen in erster Linie der Rettung der Regierung, nicht so sehr des palästinensischen Volkes«, zitierte die Tageszeitung Het Nieuwsblad am Dienstag den Abgeordneten Peter Mertens. »Maßnahmen zur Vermeidung einer Regierungskrise und zur Wiederherstellung der Ruhe sind etwas völlig anderes als Maßnahmen zur Beendigung des Völkermords an den Palästinensern.« Es sei absurd, nur ein Importverbot für Produkte aus den jüdischen Siedlungen in der Westbank zu verhängen. »Wir brauchen ein komplettes Wirtschaftsembargo.« Auch dass die Anerkennung Palästinas an Bedingungen geknüpft und deren Umsetzung »auf die lange Bank geschoben« werde, sei inakzeptabel. Mertens bezweifelt, dass ein Waffenembargo tatsächlich durchgesetzt wird.
Die Regierung hingegen ist zufrieden. Bei der Frage nach strengeren Maßnahmen gegen Israel waren die wallonische Partei Les Engagés, die flämischen Sozialdemokraten von Vooruit und die christdemokratische CD&V federführend im Kabinett des flämischen Nationalisten De Wever. Laut Sammy Mahdi, dem Vorsitzenden der CD&V, habe die Regierung »endlich ein robustes Maßnahmenpaket zur Beendigung des Genozids« verabschiedet. »Der Horror im Gazastreifen darf uns nicht unberührt lassen, die illegale Siedlungspolitik muss gestoppt werden«, so Mahdi in seiner Presseerklärung. »Die Zweistaatenlösung ist der einzige Weg, um jemals einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu erreichen.«
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