Aufschrei für ermordete Journalisten
Von Mumia Abu-Jamal
Wir haben vor wenigen Stunden, eigentlich sogar erst vor wenigen Augenblicken, erfahren, dass Anas Al-Scharif, Korrespondent des Senders Al-Dschasira, zusammen mit fünf Kollegen in einem Pressezelt in Gaza ermordet wurde. Die Israelischen Angriffsstreitkräfte (statt »Israelische Verteidigungsstreitkräfte«, IDF; jW) bezeichneten diesen Anschlag stolz als »gezieltes Attentat« und behaupteten, er sei »ein heimliches Mitglied der Hamas gewesen, ebenso wie seine Kollegen«. Nun, offensichtlich zählt ihr Tod nicht, sie hielten sich bei Anas Al-Scharif auf, und weil sie mit ihm zusammen waren, diesem mutigen und talentierten Journalisten, wurden die fünf anderen Medienvertreter gleich noch mit umgebracht.
Journalist zu sein im besetzten Palästina scheint offenbar ein Schwerverbrechen zu sein. Der Welt zu berichten, wie israelische Zionisten Kinder, Frauen und alte Männer töten, die versuchen, in dieser Zeit der massenhaften Hungersnot ein Stück Brot zu ergattern, scheint ein Schwerverbrechen zu sein. Aber in Wahrheit ist das einzige Schwerverbrechen, das gerade begangen wird, Menschen in ihrem eigenen Heimatland durch eine Besatzungsarmee zu töten.
Und was ist mit der »Pressefreiheit«? Was ist mit dem Recht von Journalistinnen und Journalisten, über die Gemeinschaften zu berichten, in denen sie leben, in denen sie leiden und in denen sie sterben?
Ich will nichts mehr hören vom Ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung über Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit! Ich will nichts von dem nervigen Geschrei der Konzernmedien hören, die zwar wissen, wie man vor falschen Königen auf die Knie fällt und sich ehrfürchtig verbeugt, die aber nicht in der Lage sind, wahrheitsgemäß über das Leid von mehr als einer Million von Hungertod und Völkermord bedrohten Menschen zu berichten!
Es erfüllt mich mit Stolz, jetzt meine Stimme zu erheben in Solidarität mit Anas Al-Scharif und seinen Kollegen sowie für den Befreiungskampf in Palästina, der uns bewegt, obwohl wir Tausende von Kilometern entfernt und nur durch das Schlagen unserer Herzen miteinander verbunden sind.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Am 13. August 2025 schrieb das palästinensisch-US-amerikanische Solidaritätsbündnis »Writers Against the War on Gaza« (WAWOG) »An diejenigen, die sich weigern, tatenlos zuzusehen: Gestern, einen Tag nachdem Anas Al-Scharif von israelischen Besatzungstruppen getötet wurde, hielt der Reporter Mohammed Abu Salama eine Trauerrede für seinen Kollegen und lieben Freund. ›Anas war ein Berg von einem Menschen‹, sagte er und fügte hinzu: ›Einer der Berge von Dschabalija. Ein Berg aus dem Lager Dschabalija.‹ Wie so viele seiner Brüder mit Kameras an der Front, sah Al-Scharif sein eigenes Martyrium voraus. Eine Stunde bevor er bei einem gezielten israelischen Luftangriff nahe dem Schifa-Krankenhaus getötet wurde, gab er uns eine letzte Warnung: ›Wenn dieser Wahnsinn nicht aufhört, wird Gaza in Schutt und Asche gelegt, die Stimmen seiner Menschen werden zum Schweigen gebracht, ihre Gesichter ausgelöscht.‹ Er hinterlässt seine Frau Bajan, seinen einjährigen Sohn Saleh und seine vierjährige Tochter Scham.
Al-Scharif wurde 1996 geboren und verbrachte mehr als die Hälfte seines Lebens unter der brutalen Belagerung durch die Zionisten. Er war knapp vier Jahre alt, als die Zweite Intifada begann, zwölf während der israelischen Operation ›Gegossenes Blei‹, 17 zu Beginn des Krieges 2014 und 21 am ersten Tag des ›Großen Marsches der Rückkehr‹ 2018. Mit 28 Jahren wurde er beerdigt, sein Leichnam kehrte in das Land zurück, für dessen Schutz er gestorben war. In den letzten beiden Jahren würdigten Menschen mit Gewissen auf der ganzen Welt seine mutige, furchtlose und unermüdliche Berichterstattung über den Völkermord in Gaza. Trotz der ständigen Bedrohung seines Lebens und seiner Person blieb sein Abschiedsgruß derselbe, ein trotziges Versprechen: ›Die Berichterstattung geht weiter.‹« (jh)
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