»Nutztierschäden sind im letzten Jahr zurückgegangen«
Interview: Max Ongsiek
Welches Bild vom Wolf ist in Österreich verbreitet?
Das Bild ist ambivalent. Es gibt hier eine stabile Tierschutzszene, die den Wolf in einer Form verklärt, die dem Tier nicht gerecht wird. Dann trifft man in der landwirtschaftlichen Bevölkerung und Jägerschaft viele Menschen an, die den Wolf als Inkarnation des Bösen sehen. Dazwischen liegt die Gruppe – wiederum Jäger und Naturschützer –, die sich für den Wolf als Wildtier interessiert.
Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ will die seit kurzem erleichterte Jagd auf den Wolf ausweiten. Wie wird dieser Schritt begründet?
Das ist mir schleierhaft. Die Rechtslage ist aber relativ klar. Letztes Jahr gab es vom Europäischen Gerichtshof ein Urteil zu einem Fall in Spanien. Dort wurde der Wolf in einer Region als jagdbare Wildart geführt, obwohl die Überlebensfähigkeit des Tieres in dem Land nicht gesichert ist. Da hat der Gerichtshof entschieden: Solange auf nationaler Ebene kein günstiger Erhaltungszustand des Wolfes gegeben ist (gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, jW), darf er auch nicht in einzelnen Regionen bejagt werden. Eine vergleichbare Situation haben wir auch in Österreich (2024: 102 Wölfe, jW): Deshalb ist die Ausweisung des Wolfes als jagdbares Wild mit Schusszeit aus unserer Sicht rechtswidrig.
Wie sehen die Herdenschutzmaßnahmen in Österreich aus?
In Österreich ist die entsprechende Förderung im Bereich Landwirtschaft sehr föderal strukturiert. Da gibt es viele verschiedene Formen der Unterstützung durch die Länder. In Bezug auf den Herdenschutz gibt es eine bundeseinheitliche Förderung. Das betrifft die Förderung zur Haltung von Herdenschutzhunden auf Almen. Wer dort einen zertifizierten Schutzhund hält, hat die Option, einen entsprechenden Zuschlag zu erhalten. Ansonsten ist es in jedem Bundesland unterschiedlich, wieviel man dafür bekommt, wenn man sich zum Beispiel einen Herdenschutzzaun anschafft. Aus unserer Sicht wäre es sehr dienlich, wenn das vereinheitlicht werden würde. Auch die Prämie für die Anstellung von Hirten müsste deutlich aufgestockt werden. Denn ein Bewirtschafter muss sich einen Hirten erst einmal leisten können, der auf der Alm tagtäglich bei den Tieren ist.
Was hat denn der von der nationalen Koordinationsstelle »Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs« herausgegebene »Statusbericht Wolf 2024« über Nutztierschäden durch Wolfsrisse ergeben?
Nutztierschäden sind im letzten Jahr – im Vergleich zum Vorjahr – zurückgegangen. Allerdings können wir nicht konkret sagen, inwieweit das auf bessere Herdenschutzmaßnahmen zurückzuführen ist. Es ist einfach nicht dokumentiert, wieviel Schutz auch auf den Heimweiden betrieben wird. Denn viele Verluste finden ja nicht nur auf den Almen statt, sondern auch in der Nähe des Hofes, also in Bereichen, wo Herdenschutz mit Zäunen vergleichsweise leicht umsetzbar ist. Wir beobachten, dass es in diesen Bereichen deutliche Verbesserungen gab. Bei den geringen Verlusten kann es sich auch nur um eine sich schnell ändernde Momentaufnahme handeln.
Eine im Jahr 2018 erschienene Studie im US-amerikanischen Fachjournal Frontiers in Ecology and Environment kommt zu dem Schluss, dass getötete Wölfe in fast einem Drittel der untersuchten Fälle zu mehr Nutztierschäden führen. Warum ist das so?
Weil Wölfe soziale Tiere sind, die in Familienstrukturen leben. Das Erlegen von Beute lernen die Jungwölfe von den Eltern. Wenn jetzt bei einer Bejagung, die wiederum keiner strengen Kontrolle unterliegt, ein oder zwei Elterntiere geschossen werden, kann es schnell dazu führen, dass auf sich allein gestellte Jungtiere ungeschickter und unvorsichtiger Beute machen als die Elterntiere.
Im Mai hat das EU-Parlament für einen erleichterten Wolfsabschuss gestimmt. Welche Konsequenzen hat das für die Wolfsbejagung in Österreich?
Im Grunde erst einmal keine. Die Änderungen, die in der EU-Naturschutzgesetzgebung vorgenommen wurden, sehen vor, dass der Wolf weiterhin geschützt ist, aber nicht mehr ganz so streng. Er darf bejagt werden, wenn ein Mindeststandard an langfristiger Überlebensfähigkeit des Tieres gewahrt ist. Und die hat der Wolf in Österreich bei weitem noch nicht erreicht.
Lucas Ende ist Wolfsexperte beim Naturschutzbund Österreich
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