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Aus: Ausgabe vom 25.08.2025, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Ringen um »Blauhelme«

Libanon: Weltsicherheitsrat stimmt über Friedenseinsatz ab. USA und Israel wollen ihn beenden
Von Dieter Reinisch, Beirut
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Bei beiden Seiten unbeliebt: »Blauhelmsoldat« spricht mit Kriegsvertriebenem aus dem Dorf Khiam (23.1.2025)

Eine der ältesten aktiven UN-Missionen ist UNIFIL. Seit 1978 patrouillieren die UN-»Blauhelme« im Gebiet entlang der libanesischen Südgrenze zu Israel. Diesen Montag soll im UN-Sicherheitsrat in New York über ihre Zukunft entschieden werden. Die USA und Israel wollen das Mandat beenden, Frankreich will es verlängern. Auch die libanesische Regierung möchte UNIFIL beibehalten. Doch der UN-Einsatz ist nicht bei jedem im Zedernstaat beliebt.

»Wir betonen, wie wichtig es ist, UNIFIL zu erneuern, bis Israel sich aus den noch besetzten Gebieten zurückzieht, die Gefangenen freilässt und die libanesische Armee vollständig im Einsatzgebiet stationiert ist«, sagte der libanesische Präsident Joseph Aoun am Sonnabend der Tageszeitung Al-Akhbar. Er unterstrich bei einem Treffen mit einer US-Delegation unter Leitung des Kongressabgeordneten Darin LaHood die Bedeutung des UNIFIL-Mandats bis zur vollständigen Umsetzung der Resolution 1701, berichtete der Sender Al-Majadin am Sonntag. Diese Resolution aus dem Jahr 2006 fordert den Abzug der israelischen Truppen aus den von ihnen besetzten libanesischen Gebieten und die vollständige Kontrolle der Grenze durch die libanesische Armee.

Wie wichtig die Angelegenheit ist, zeigte die Ankunft eines hochrangigen Vertreters der Arabischen Liga am Wochenende in Beirut, des Ägypters Hossam Saki. Dieser erklärte laut Al-Akhbar, sein Besuch ziele darauf ab, »die Stabilität des Libanon zu unterstützen«. Er betonte zudem die Notwendigkeit, die Präsenz der UNIFIL im Süden aufrechtzuerhalten. UNIFIL wurde durch die UN-Resolutionen 425 und 426 vom 19. März 1978 ins Leben gerufen, nachdem Israel fünf Tage zuvor die Besetzung des Libanon begonnen hatte. UNIFIL sollte ursprünglich den Abzug der israelischen Truppen aus dem Süden des Landes überwachen. Nach dem Abzug im Jahr 2000 wurde das Mandat verlängert und nach dem Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah ausgeweitet. Durch eine Aufstockung von 2.000 auf 15.000 »Blauhelm«-Soldaten sollte die Umsetzung der Resolution 1701 garantiert werden.

Während der Bodenoffensive im Südlibanon im vergangenen Herbst beschoss Israel mehrere UNIFIL-Posten. Dabei wurden mindestens vier UN-Soldaten verletzt. Israel bombardiert regelmäßig den Süden Libanons, erst am Freitag wurde ein Libanese beim Beschuss durch eine israelische Drohne nahe der Ortschaft Aita Al-Schaab verletzt. UNIFIL dokumentiert die fortwährenden Verstöße Israels gegen das Waffenstillstandsabkommen. Am 30. Juni genehmigte die UN-Generalversammlung 5,38 Milliarden US-Dollar für Friedensmissionen im Haushaltsjahr 2025/26. Das ist ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Das Budget der UNIFIL wurde mit 147 Jastimmen gegen die Neinstimmen Argentiniens, Israels und der USA bei einer Enthaltung seitens Paraguays angenommen.

Anstelle von UNIFIL plant US-Präsident Donald Trump eine Pufferzone im Süden des Libanon. Mit einem Sonderwirtschaftsbereich, der seinen Namen tragen soll, möchte er Investoren aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten anziehen – ein Versuch, iranischen Einfluss zurückzudrängen. Präsident Aoun stellte am Sonnabend aber gegenüber Al-Akhbar klar, dass sein Land nicht offiziell über die US-israelischen Pläne zur Einrichtung einer solchen Zone informiert sei, und distanzierte sich damit von Medienberichten, die etwas anderes vermuten ließen.

Das Gebiet südlich des Litani-Flusses, das bis 2000 von Israel besetzt war, kann von Ausländern nur mit Genehmigung der libanesischen Armee betreten werden. Diese ist aus dem Militärhauptquartier in Sidon abzuholen. Im Süden sind die Spannungen zwischen schiitischer Bevölkerung und UNIFIL zu spüren. Obwohl nach außen hin ein gutes Verhältnis gewahrt wird, werfen viele Schiiten den »Blauhelmen« vor, für Israel zu spionieren. Ein Einwohner verdeutlicht seinen Unmut gegenüber jW mit den Worten: »Israel ist in unser Land einmarschiert. Wieso stehen die UNIFIL-Soldaten jetzt auf unserer Seite der Grenze und nicht in Israel, das die Aggression begonnen hat?«

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