Parlament macht Welle
Von Max Ongsiek
Reifen an Reifen standen die Polizeieinsatzfahrzeuge vor dem Landtag in Magdeburg. Wegen mutmaßlich unzulässiger Gehaltszulagen verschiedener Politiker führten mehr als 100 bewaffnete Polizisten am 1. Juli eine Razzia durch. Die soll jetzt parlamentarische Konsequenzen haben, wie die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) am Freitag unter Berufung auf mehrere Mitglieder der Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP berichtete. Im Raum steht die Einberufung eines Untersuchungsausschusses. Ein als »hochrangiger Funktionär« titulierter Politiker sagte der MZ demnach am Donnerstag: »Wir sehen hier Klärungsbedarf, weil bei diesem Einsatz Maß und Mitte gefehlt haben.«
Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) schilderte und kritisierte bereits in einem jW vorliegenden Brief vom 11. Juli an die ermittelnde Generalstaatsanwältin Heike Geyer den Behördeneinsatz, der »weltweit für Aufsehen« gesorgt habe. Der CDU-Politiker bemängelte insbesondere die kurzfristige Information, die große Polizeipräsenz sowie das aus seiner Sicht unangemessene Vorgehen der Ermittler im Landtagsgebäude. Die schon am 15. Mai vom Amtsgericht beschlossene Durchsuchung – »ohne Gefahr im Verzug« – fand in der parlamentarischen Sommerpause statt. Zu einem Zeitpunkt also, »an dem sich die Fraktionen und ihre Mitarbeiter üblicherweise selten am Sitz des Landtags aufhalten«. Schellenberger stellte auch in Frage, »ob die Durchsuchungen im Landtagsgebäude überhaupt erforderlich waren«. Die für die Ermittlungsverfahren relevanten Unterlagen seien »überwiegend öffentlich zugänglich oder anderweitig verfügbar«.
Karsten Stöber, Pressesprecher der Partei Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt, erklärte auf jW-Anfrage: »Die Intention dieses Schreibens teilt die Fraktion. Um sich ein umfassendes Bild zu machen und den gesamten Sachverhalt bewerten zu können, wartet die Fraktion nunmehr die Antwort der Generalstaatsanwaltschaft ab.«
Wie der MDR am Tag der Razzia berichtet hatte, war der Staatsanwaltschaft zufolge eine Anzeige des Bundes der Steuerzahler Grundlage der Ermittlungen. Sie war – laut einer eine Woche später veröffentlichten Recherche der Taz – schon 2023 erstattet worden, die Magdeburger Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen zunächst abgelehnt, musste aber nach einer Beschwerde doch handeln, wie die Zeitung berichtete.
Der MDR erklärte im weiteren, der Verein Bund der Steuerzahler werfe drei der sechs Fraktionen – also CDU, SPD und AfD – vor, »unzulässige Zulagen für besondere Funktionen gezahlt zu haben«. Das sei nur für Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer, den Landtagspräsident und seine Stellvertreter erlaubt. Laut der Lobbyorganisation soll die CDU-Fraktion in ihrer Rechnungslegung für 2021 und 2022 insgesamt Zahlungen in Höhe von 113.250 Euro für »besondere Funktionen in der Fraktion« ausgewiesen haben. Für die Fraktion der AfD seien 2021 rund 25.600 Euro dokumentiert, für die SPD-Fraktion 7.500 Euro. »Alle übrigen Fraktionen haben in der Rechnungslegung sowohl für 2021 als auch für 2022 keine zusätzlichen Zahlungen für Funktionszulagen ausgewiesen«, zitierte der MDR einen Verbandssprecher.
Nach der Razzia im Landtag stellte die CDU-Fraktion im Juli die in Rede stehenden Zahlungen ein. Sie seien »im Einklang mit gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben« erfolgt und »unter Einbeziehung der rechtlichen Expertise des Gesetzgebungs- und Beratungsdiensts des Landtages ausgezahlt« worden, wie die Fraktion in Magdeburg auf dpa-Anfrage mitteilte. Demgemäß hatte die CDU die Zulagen auch über 2021 und 2022 hinaus gezahlt. Die SPD hatte dem MDR mitgeteilt, in der laufenden Wahlperiode diese Zuschläge ebenfalls nicht mehr zu zahlen.
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