Verbot von oben
Von Kristian Stemmler
Die katholische Kirche rüttelt nicht am Abtreibungsverbot. Jene dogmatische Festlegung hat die Jahrhunderte überdauert und steht im Hintergrund eines Rechtsstreits zwischen einem Chefarzt und dem Träger seiner Klinik im westfälischen Lippstadt. Dem Gynäkologen Joachim Volz war auch für seine private Praxis in Bielefeld weitestgehend untersagt worden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen – selbst wenn schwerste Missbildungen des Fötus drohen. Das Arbeitsgericht Hamm brauchte nicht lange, um am Freitag kurz nach Prozessauftakt die Klage des Mediziners gegen die Dienstanweisung des »Klinikum Lippstadt – Christliches Krankenhaus« abzuweisen. Bis auf Weiteres bleibt damit das Verbot für Volz bestehen.
Richter Klaus Griese sagte zur Begründung nicht viel. Er erklärte lediglich, der Betreiber sei »zu beiden Maßnahmen berechtigt«. Genaueres werde schriftlich erfolgen. In einer kurzen Mitteilung hieß es im Anschluss noch, das Krankenhaus sei berechtigt gewesen, »im Rahmen des zustehenden Direktionsrechts diese Vorgaben zu machen«. Volz erklärte, er sei »fast sicher«, dass er in die nächste Instanz gehen werde. Er müsse aber erst gemeinsam mit seinen Anwälten die Begründung genau prüfen.
Der Gynäkologe ist seit 13 Jahren Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus in Lippstadt. Dort nahm er mit seinem Team in medizinisch indizierten Einzelfällen Schwangerschaftsabbrüche vor und war eine wichtige Anlaufstelle für Frauen, deren Schwangerschaft Komplikationen aufweist. Das änderte sich schlagartig, nachdem die evangelische Klinik Ende 2024 mit dem katholischen Dreifaltigkeits-Hospital zum Klinikum Lippstadt fusioniert war. Per Dienstanweisung verbot die neue Leitung dem Team des Perinatalzentrums, ab Februar Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Diese seien nur noch erlaubt, wenn »Leib und Leben der Schwangeren in Gefahr sind«. Das Verbot war, einem Bericht des WDR zufolge, Bedingung der katholischen Seite für die Fusion.
In der Verhandlung wies der Richter darauf hin, dass medizinisch indizierte Abbrüche im Klinikum ja nicht kategorisch verboten seien. Eine Ausnahme bilde die Situation, »dass Leib und Leben der Mutter beziehungsweise des ungeborenen Kindes akut bedroht« seien. Hauke Schild, Geschäftsführer des Klinikums, erklärte, der »Arbeitgeber« dürfe bestimmen, was in seinem Unternehmen gemacht werde und was nicht. Das sei »unternehmerische Freiheit«. Der Vertreter des Klägers, Till Müller-Heidelberg, argumentierte hingegen, eine Klinikleitung könne Dienstanweisungen erteilen, diese umfassten aber nicht den ärztlichen Bereich. Volz sagte vor Gericht, die neue Klinikleitung habe ihm selbst bei schwersten Schädigungen – etwa einem ungeborenen Kind ohne Schädeldecke – keinen Spielraum gelassen. Auch in solchen Fällen dürfe er keinen Abbruch vornehmen. Eine Frau müsse in schweren Notsituationen aber die Freiheit haben, selbst zu entscheiden.
Um den Chefarzt zu unterstützen, hatten kurz vor Prozessbeginn in Lippstadt rund 2.000 Menschen unter dem Slogan »Stoppt das katholische Abtreibungsverbot« demonstriert. Volz erklärte dort gegenüber dpa, er sehe die Auseinandersetzung um das Klinikum Lippstadt nicht als Einzelfall. Überall, wo im Rahmen von politisch gewollten Klinikfusionen demnächst katholische Träger mitmischten, sei zu befürchten, dass diese Hilfen strukturell nicht mehr angeboten würden. Eine Petition, die der Mediziner am 1. Juli mit dem Titel »Ich bin Arzt – meine Hilfe ist keine Sünde!« gestartet hatte, ist bisher von gut 232.000 Menschen unterschrieben worden.
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