Deutschland durchleuchten
Von Niki Uhlmann
Jenseits des Atlantiks reibt sich ein faschistoider Multimilliardär die Hände. Er heißt Peter Thiel, hat den US-amerikanischen Digitalkonzern Palantir gegründet, und verdient prächtig daran, dass auch deutsche Sicherheitsbehörden scharf auf dessen Software sind: Die Anwendung »Gotham« wertet automatisch große Datenmengen aus und ermöglicht dadurch Ermittlungen, die einer Komplettüberwachung gefährlich nahekommen. Genau die will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der BRD möglich machen und lässt sein Ministerium darum den bundesweiten Einsatz von Palantir prüfen. Gegen sein sogenanntes Sicherheitspaket gehen indes nicht nur Datenschützer und Menschenrechtler auf die Barrikaden.
Spitzen sich innen- ebenso wie geopolitische Widersprüche zu und wird zusätzlich Politik mit Angst vor allenthalben beschworenen Feinden gemacht, haben Herrschaftsinstrumente wie jene Palantirs Konjunktur. So war am Mittwoch im Handelsblatt zu lesen, dass Palantir mit einem Erlös von rund einer Milliarde US-Dollar ein Rekordquartal hinter sich habe und seit Dienstag zu den 25 wertvollsten Börsenunternehmen der Welt gehöre. Vorstandschef Alex Karp führte das auf die »erstaunliche Wirkung von künstlicher Intelligenz (KI)« zurück. Ausschlaggebend dürften allerdings die Aufträge der USA gewesen sein. So ließ die US-Armee Anfang August zehn Milliarden US-Dollar für Palantirs Unterstützung bei der Vorbereitung auf kommende Kriege springen. So war die CIA unter den ersten Investoren des Konzerns.
Hier setzt die Kritik jener an, die gegen einen Überwachungsstaat weniger einzuwenden haben als gegen die bei Palantir eingepreiste Abhängigkeit von den USA. »Es ist nichts anderes, als die Polizei immer gemacht hat: klassische Ermittlungsarbeit. Nur schneller und ohne Datenverluste«, zitierte die FAZ gleichentags Kriminaldirektor Dirk Kunze. Spätestens seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz Ende 2016 sei klar gewesen, »dass es nicht weitergehen konnte wie bisher«, ist dort zu lesen. Nur konnten sich die Länder, die allesamt lückenloser überwachen wollen, bei ihrer letzten Innenministerkonferenz nicht auf Palantir einigen. Ihrem Beschluss waren Bedenken wegen der »digitalen Souveränität« und der Wunsch zu entnehmen, »Einflussmöglichkeiten durch außereuropäische Staaten« auszuschließen.
Die BRD drohe, sich mit Palantir-Software einen gefährlichen Trojaner einzukaufen, zumal Trump-Unterstützer Peter Thiel als »Demokratieverächter« gelte und bereits weitaus wohlmeinendere US-Administrationen Exkanzlerin Angela Merkel (CDU) abgehört hätten, heißt es weiter. In Nordrhein-Westfalen, wo »Gotham« bereits zum Einsatz kommt, traue die Polizei der Software selbst nicht. Von »Sicherungsmaßnahmen gegenüber Palantir« ist gar die Rede. Es dürfe nicht ins Internet, so Kunze. Ferner verfüge man über den Quellcode und bereite sich auf einen möglichen Anbieterwechsel vor. Die Skepsis geht so weit, dass NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag angekündigt hat, mit Palantir würden nur noch »kurzfristige Verträge« geschlossen. Gänzlich verzichten wolle man aber nicht.
Die Süddeutsche Zeitung beschäftigte vor allem die Frage, ob Palantir »eine Gefahr für die Grundrechte hierzulande« darstelle. Beispielsweise könne »der deutsche Rechtsstaat etwas von der Kontrolle über seine Abläufe verlieren«, die Software bei der Verdichtung von Verdachtsmomenten Vorurteile einfließen lassen oder gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen, wie es das Bundesverfassungsgericht 2023 im Fall von Hessens Palantir-Version »Hessendata« festgestellt hatte. Am Rand wird erwähnt, dass eine deutsche oder eine europäische KI dieselben Probleme bereiten würden. Zu kurz kommt wie vielerorts die politische Dimension, dass die staatliche Herrschaft vermehrt auf Kosten der bürgerlichen Rechte geht, dass Dobrindt aller Kritik zum Trotz bundesweit Palantir ausrollen will – dem verhassten Herrn Thiel folglich vielleicht gar nicht so abgeneigt ist, wie die liberaldemokratischen Kommentatoren sich das zu wünschen scheinen.
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