Stellenvernichter Roundup
Von Kristian Stemmler
Für Fehlentscheidungen des Managements büßt in Unternehmen immer die Belegschaft. So auch bei Bayer: Rund 12.000 Stellen hat der Pharma- und Agrarkonzern im Zuge der Anfang 2024 angekündigten »Umstrukturierung« bisher abgebaut. Das berichtete Reuters am Mittwoch mit Verweis auf eine aktuelle Präsentation des Unternehmens. Demnach wird beim umfassenden Kürzungskurs bis Ende 2026 nicht auf betriebsbedingte Kündigungen zurückgegriffen. Als Teil des »Konzernumbaus« hatte Bayer im Mai bereits die Schließung des Standorts Frankfurt am Main mit rund 500 Beschäftigten verkündet.
Ein Hauptgrund für die Schlagseite beim Leverkusener Konzern, die diesen Kahlschlag zur Folge hat, ist die spektakuläre Übernahme des US-Agrarriesen Monsanto 2018. Bayer holte sich damals den glyphosathaltigen, als krebserregend verdächtigen Unkrautvernichter Roundup ins Haus – und damit auch Tausende Schadenersatzklagen in den USA. Seit der Übernahme fiel der Aktienwert des Unternehmens deutlich. Vor allem litten die Profite. 2020 sowie 2023 und 2024 wies der Konzern herbe Verluste aus.
In den USA ist die Konzernführung daher weiterhin bemüht, die Glyphosat-Klagewelle irgendwie in den Griff zu bekommen. »Wir halten an unserem Ziel fest, die Rechtsrisiken bis Ende 2026 signifikant einzudämmen«, erklärte Vorstandschef Bill Anderson am Mittwoch bei der Vorlage der Quartalsbilanz. Tausende Fälle seien inzwischen »vertraulich« und zu niedrigen Durchschnittskosten beigelegt worden. Dank eines größeren Vergleichs sank die Zahl offener Glyphosat-Klagen zuletzt auf 61.000 von zuvor 67.000 Fällen.
Hoffnungen setzt der Konzernchef auch in den Obersten Gerichtshof der USA, den Supreme Court, vor dem Bayer die Revision eines Glyphosaturteils beantragt hat. Noch steht aber eine Stellungnahme des US-Generalstaatsanwalts zu dem Antrag aus. Ob sich das Gericht mit dem Fall befasst, hängt maßgeblich davon ab. Bis zum Sommer 2026 könnte es ein Urteil in der Sache geben, von dem Bayer sich Rechtssicherheit erhofft. Es ist bereits der dritte Anlauf des Konzerns vor dem Supreme Court. Diesmal rechnet man sich in Leverkusen bessere Chancen aus, da es inzwischen widersprüchliche Urteile von Bundesberufungsgerichten gebe.
Im Pharmabereich läuft es ebenfalls nicht gut für Bayer. Es fehlen große »Blockbuster«, die wegbrechende Erlöse mit den umsatzstarken Medikamenten Eylea (gegen Makuladegeneration) und Xarelto (Blutverdünner) kompensieren könnten. Deren Patente laufen nach und nach aus. Ende des vergangenen Jahres kam noch ein herber Flop in einer klinischen Studie mit Bayers größtem Pharmahoffnungsträger, dem Gerinnungshemmer Asundexian, hinzu. Das Medikament – eines der wichtigsten, das der Konzern bislang entwickelt hat – ist nicht so wirksam, wie erhofft.
Seit 2018 befindet sich die deutsche Chemie- und Pharmabranche in einer Krise, meldete der Verband der Chemischen Industrie (VCI) Mitte Juli mitsamt dem Hinweis, die rasante Talfahrt sei gestoppt. Bisher konnten gute Pharmageschäfte den Umsatz im ersten Halbjahr 2025 stützen. Gemessen am Vorjahreszeitraum ging er nur minimal um 0,5 Prozent auf 107 Milliarden Euro zurück. Die energieintensive Chemiesparte leidet schon länger unter gestiegenen Energiepreisen und der Konjunkturflaute.
So rechnet man auch bei Bayers Konkurrenten BASF in Ludwigshafen mit weniger Gewinn. Nach den vor einer Woche präsentierten Zahlen ist der Umsatz im zweiten Quartal wegen niedrigerer Preise vor allem bei Basischemikalien um zwei Prozent auf 15,8 Milliarden Euro gesunken. Der auf die Aktionäre anfallende Gewinn betrug rund 80 Millionen Euro, nach 430 Millionen Euro im Vorjahr. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) korrigierte der Chemiekonzern auf 7,3 Milliarden bis 7,7 Milliarden Euro. Zuvor hatte BASF noch 8,0 bis 8,4 Milliarden Euro angepeilt.
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