»Sie achten sehr darauf, dass die Basis mitgestaltet«
Interview: Marc BebenrothDer NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine darf in keiner Hauptnachrichtensendung fehlen. Da geraten die Vorbereitungen auf eine Eskalation durch den NATO-Hegemon USA gegen China oft aus dem Blick. Über das Land sei wenig Glaubwürdiges in Erfahrung zu bringen, Reisen sowie Berichterstattung seien schwierig bis praktisch unmöglich, heißt es meist – zuletzt in Verbindung mit dem 90. Geburtstag des aktuellen Dalai Lama. Wenn man nun wie Sie auf Einladung der KP Chinas das Land bereist, welche Aufträge liegen dabei im Gepäck?
Unser eigener Auftrag war, das Land und das, was sich dort entwickelt, genauer kennenzulernen. Da unsere Parteizeitung Unsere Zeit im Herbst eine Leserreise nach China veranstaltet, sind wir schon mal für einige Tage dort gewesen, um die Reise vorzubereiten, erste Gespräche zu starten und mögliche Besuchstermine für unsere Leserinnen und Leser zu vereinbaren. Uns ging es aber darüber hinaus auch darum, in Erfahrung zu bringen, wie sich die Widersprüche in Chinas Gesellschaft darstellen und wie sie gelöst werden beziehungsweise wie die Bevölkerung und die politischen Verantwortlichen sie zu lösen versuchen. Vor allem ging es uns um den politischen Austausch vor Ort.
Das klingt, als ob die Einladung durch die KP China keineswegs überraschend kam. Hatte es solche schon einmal gegeben?
Das war insgesamt die dritte Delegation, an der wir teilgenommen haben. Was dieses Jahr neu war, das war die Zusammensetzung. Wir waren als Delegation deutschsprachiger linker Parteien aus Europa eingeladen worden. Mit dabei waren zwei Genossen aus der Schweiz, sechs Genossinnen und Genossen von der Linkspartei sowie mit mir insgesamt zwei Delegierte von der DKP. Aus Österreich war niemand dabei, der Grund war uns zu dem Zeitpunkt nicht so ganz klar. In der Vergangenheit waren die Delegationen eher auf kommunistische Parteien beschränkt und die Zusammensetzung war noch internationaler. Rückblickend war es ein wilder Trip, weil wir in nur neun Tagen vier Großstädte besucht haben, in denen mehr Menschen leben als in der gesamten BRD.
Wo startete Ihre Tour?
Wir waren vom 17. bis 26. April in der Volksrepublik und starteten in der Hauptstadt Beijing. Nach nur zwei Tagen ging es nach Chongqing im Zentrum Chinas – eine der größten Städte mit einer Fläche des gesamten Einzugsgebiets von Österreich und 30 Millionen Einwohnern –, bevor wir ins Perlflussdelta fuhren und Städte wie Guangzhou besuchten. In Chongqing nahmen wir an einem internationalen Treffen von Parteien, Thinktanks und Journalisten aus Südamerika, Afrika und Asien teil. Angereist waren vor allem Delegationen aus Pakistan und Indien, aber auch Kambodscha war stark vertreten. Mit mehr als 50 Teilnehmern war die Delegation der ZANU-PF (Zimbabwe African National Union – Patriotic Front, jW) aus Simbabwe die größte. Es ging um die wirtschaftliche Entwicklung der Region, aber auch darum, wie sie sozial gestaltet wird. Dieser Punkt war meinem Eindruck nach für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den asiatischen Ländern besonders interessant.
Was genau konnte man den internationalen Gästen bei diesem Treffen berichten?
Es gab dort eine Reihe von Besichtigungen. Zum einen zum Thema wirtschaftlicher Aufbau und wie man so eine Megaregion überhaupt organisiert. So konnten wir uns unter anderem eine Müllverbrennungsanlage ansehen.
Das klingt zunächst nicht gerade aufregend.
Das ist grundsätzlich relativ ähnlich zu Anlagen hierzulande. Aber was daran interessant für uns war: Es ist eine sehr moderne Anlage. Uns wurde gesagt, sie haben nur noch ein Zehntel der Emissionen im Vergleich zu den Grenzwerten in der EU. Ebenfalls interessant war es zu sehen, wie viel in dem Betrieb für die Beschäftigten getan wird. So gibt es auf dem Werksgelände einen kleinen Sportplatz. Sie haben eine große und moderne Kantine sowie einen großen Ausstellungsraum, wo Besucher über die Arbeit in der Verbrennungsanlage informiert werden.
Also ein buchstäblicher Vorzeigebetrieb?
Das ist selbstverständlich die Frage: Haben wir nur Vorzeigebetriebe gesehen? Jedenfalls hatten alle, die wir besucht haben, solche Ausstellungsräume für die Öffentlichkeit beziehungsweise für Werksbesichtigungen. Mein Eindruck war, dass – wenn vielleicht nicht wirklich jeder Betrieb solche Bereiche haben sollte – man auf chinesischer Seite sehr stolz auf die eigene Entwicklung ist. Und sie sind bereit, die Ideen, die hinter den Entwicklungen stehen, mit anderen zu teilen.
Gab es bei dieser Besichtigung die Gelegenheit, ins Gespräch mit den Arbeitern zu kommen? Oder läuft man als Delegation bloß durch, lässt sich alles einmal erklären und geht dann weiter?
Das eng getaktete Programm in den Industrieanlagen hat das Sprechen mit den Arbeitern leider erschwert. Die Besuchstermine, die wir in Chongqing hatten, waren tatsächlich so: Wir sind durchgeführt worden und dann weitergegangen. Es gab die Möglichkeit, am Rande immer mal eine Frage zu stellen. Aber der Austausch dort mit den Mitarbeitern vor Ort oder auch mit den anderen Delegationen war während der Besuche sehr schwierig. Insgesamt haben wir uns eine Reihe von Fabriken angeschaut. In allen gibt es inzwischen Parteiorganisationen, die im Vergleich zu unseren Verhältnissen riesig sind. So haben wir eine Autofabrik besucht, in der waren 12.000 Arbeiter beschäftigt. Immerhin 3.000 in dem Werk waren Mitglieder der KP.
Es gab schließlich noch ein Meeting, wo im Grunde in Form einer Konferenz noch einmal berichtet wurde. Dort gab es auch mehr Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen. Einen regen Austausch gab es im Anschluss mit lokalen Basisgruppen. Nach einer Werksbesichtigung konnten wir uns mit ihnen noch eine Zeit lang zusammensetzen.
Diese Basisgruppen, sind das Ortsgruppen der KP oder eher so eine Art Nachbarschaftskomitee?
Grundsätzlich gibt es meiner Erfahrung nach unterschiedliche Ansätze, also je nach Stadt Unterschiedliches ausprobiert. Es gibt dabei aber einheitliche Prozesse und so einen roten Faden, der sich durchzieht. Man hat überall in diesen Basisgruppen Freiwillige, die dort mitarbeiten. Dazu gibt es einen kleinen Teil von Hauptamtlichen, so eine Art Basisabsicherung. Die Partei ist immer in enger Verbindung mit diesen Gruppen.
Haben diese eine bestimmte Aufgabe?
Es geht überall darum, für die Bevölkerung vor Ort einerseits wichtige Dienstleistungen und andererseits einen sozialen Zusammenhalt zu organisieren. Wir konnten beispielsweise in Zhuhai, unserer dritten Station im Perlflussdelta, einen lokalen Volkskongress besuchen.
Volkskongress in China, darunter stellt man sich die denkbar größte parlamentarische Versammlung der Welt vor. Wie sieht das auf lokaler Ebene aus?
Es ist im Grunde das politische System, heruntergebrochen auf die ganze Stadt. Sogar noch kleiner, im Grunde bis auf die Stadtteilebene. Wo wir zu Gast waren, waren neben der KP auch andere Parteien vertreten, wie die Guómínd’ng, also die Partei, die von Sun Yat-sen (im August 1912, jW) gegründet und schließlich von Chiang Kai-shek geführt wurde. Die gibt es immer noch …
… was viele nicht wissen dürften, wird doch hierzulande oft der Eindruck vermittelt, es gebe außer der KP keine anderen Parteien in China.
Sie arbeiten vor Ort auch zusammen. Da ging es vor allem sehr stark darum, die Bürger in die politische Entwicklung einzubeziehen. Eine Aufgabe dieses lokalen Volkskongresses war, die Politik, die von oben gemacht wird, im lokalen Stadtteil zu vermitteln.
Also doch ein Top-down-Prinzip, wie die westliche China-Berichterstattung zu betonen nicht müde wird.
Ja, ein Element ist dieses Top-down. Aber das im Grunde größere Element ist, sehr nah an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen zu sein. Da geht es darum, herauszufinden, was auf lokaler Ebene die Probleme sind. Das Ziel ist, gemeinsam Lösungen für sie zu erarbeiten. Wir konnten Einblick gewinnen in ein Gemeindezentrum, wo man Verwaltungsangelegenheiten erledigen kann, wo man aber auch die Möglichkeit hat, Eingaben an alle Ebenen des Volkskongresses zu machen. Dort kann sich die Bevölkerung über die aktuelle Politik informieren.
Dieses Zentrum dient aber nicht nur als eine Art Rathaus. Dort, wo wir empfangen wurden, geschah dies durch eine Tanz- und Musikgruppe des Hauses. Es wurde dort ein Yogakurs angeboten, man konnte aber dort ebenso gut auch Tischtennis spielen gehen.
Wie ausführlich sind die Informationen, die die Bewohner dort bekommen, wenn sie mit einem Verwaltungsanliegen oder anderen Problemen in dieses Zentrum gehen?
Im Grunde sind alle lokalen Verantwortungsträger mit ihren Fotos und Telefonnummern überall sichtbar ausgehängt. So kann jeder mit der jeweils zuständigen Person Kontakt aufnehmen. Die Mitarbeiter gehen dort auch sehr aktiv auf die Menschen zu, zum Beispiel in Form von Umfragen. Und dann werden auch Projekte überlegt. Das Haus, das wir besichtigt haben, ist sogar auf Initiative der lokalen Bevölkerung entstanden. Ein paar Jahre zuvor wurde festgestellt, dass die Anwohner einen solchen Anlaufpunkt brauchen, aber auch Vereine einen Ort für ihre Treffen benötigen.
Es besteht, wie gesagt, ein sehr starkes Interesse seitens Staat und Regierung, institutionell nah an den Menschen dran zu sein und sehr darauf zu achten, dass man seine Politik nicht nur nach unten vermittelt, sondern auch die Möglichkeit gibt, mitzugestalten – inklusive im Rahmen eines lokalen Budgets demokratisch zu entscheiden, was die nächsten Projekte sind.
Welchen Eindruck konnten Sie sich vom Stadtbild Ihrer Stationen machen? Was ist das Besondere an den Metropolen im Perlflussdelta?
Das ganze Perlflussdelta zwischen Hongkong, Shanghai und Shenzhen, also dieser hochtechnisierte Teil, war eine der ersten Regionen in China, die damals gegenüber dem Westen und westlichen Unternehmen geöffnet wurden. So merkt man dort im Gegensatz zu Beijing und Shanghai einen deutlich westlichen Einfluss, was Kleidungsstil, Fassaden und dergleichen betrifft. Aber es wird auch sehr viel Wert darauf gelegt, die traditionellen Gebäude wiederherzurichten. Es gibt sehr viele Einkaufsmeilen. Die Straßen sind in allen Städten verstopft. Das ist ein großes Problem.
Auch wenn die Zeit knapp und das Programm durchgetaktet war: Was konnten Sie an Alltagsszenen im Stadtbild beobachten?
Wir haben uns viel durch die Stadt bewegt. Selbst aus dem Bus heraus konnten wir einige Eindrücke vom Leben dort gewinnen. Abends bot sich uns die Chance, die nähere Umgebung unseres Hotels zu erkunden und dort das Leben ein wenig mitzubekommen. Das war schon interessant. Der Eindruck war, dass es dort nicht diese stark sozial gegliederten Stadtteile gibt wie bei uns. Wir waren zwar in einem der schöneren Hotels der Stadt untergebracht, aber kaum haben wir das verlassen, befanden wir uns in einer normalen Nachbarschaft. Links und rechts auf der Straße, in den Garagen hatten Menschen ihre kleinen Geschäfte: von Handwerkern, die dort irgend etwas auf der Straße zusammengebaut haben, bis hin zu Stellen, wo traditionelle chinesische Medizin angeboten wurde. Es ist nicht so, dass es dort keine soziale Spaltung gibt.
Man merkt durchaus, dass es auch Menschen gibt, die ärmer sind. In China wird zum Beispiel anders als hierzulande kein Pfandgut eingesammelt, aber dafür das Altpapier. Das sammeln einzelne oder kleine Unternehmen, die es dann weiterverkaufen. Was man allerdings nicht sieht, ist die absolute Armut in Form von Obdachlosigkeit oder Bettlern.
Sie sagen, Ihre Gruppe konnte sich frei in den Städten bewegen. Wie eng war die Betreuung durch die KP-Genossen?
Während der offiziellen Termine haben uns die Genossinnen begleitet. Abends haben sie sich wieder verabschiedet. Danach konnten wir herumziehen, wie wir wollten. So haben wir uns beispielsweise zu dritt in Beijing den Tian’anmen-Platz angeguckt, sind selbstständig durch die Gegend gezogen.
Sind Sie dort nicht mit der Polizei konfrontiert gewesen?
An dem Platz gab es Polizeikontrollen mit einer Art Schleuse inklusive Gesichtserkennung. Für Touristen spielt das aber eher keine Rolle, wir wurden durchgewinkt. In der U-Bahn stehen Metallscanner und Rucksäcke werden durchleuchtet – wie hierzulande am Flughafen. Man sieht an belebten Orten die Polizeipräsenz, aber die Beamten halten sich eher im Hintergrund. Als wir mangels Sprachkenntnissen kein Taxi bekamen, half uns ein Polizist. Dort ist es nämlich nicht üblich, Taxis heranzuwinken, sondern das geht alles über eine App. Die waren aber alle in dem Moment vergeben. Also sind wir mit dann doch U-Bahn gefahren, was noch einmal ein zusätzliches Abenteuer war. Die hatte um 22.30 Uhr Betriebsschluss, und wir sind nicht ganz bis zum Ziel gekommen. So mussten wir noch ein Stück mit dem Taxi fahren. Der Fahrer wollte von uns deutlich zuviel Geld haben. Aber wir haben dann ein normales Taxi bekommen und sind ohne Probleme ans Ziel gekommen.
Wohin ging die Reise nach Ihrem Aufenthalt in Zhuhai?
Wir waren dann noch in Guangzhou, Hauptstadt der Provinz Guangdong, die ebenfalls im Perlflussdelta liegt und wo sich mit Shenzhen und Zhuhai der wirklich hochentwickelte Bereich Chinas befindet. In Guangzhou konnten wir uns das Museum der Kantonesischen Oper ansehen. Allein die Musik ist schon etwas sehr Besonderes, kaum zu beschreiben. Sie entspricht so überhaupt nicht unseren Hörgewohnheiten. Den Zugang zur Kanton-Oper muss man sich erst erschließen. Interessant ist an dieser Tradition, dass sie historisch schon früh Ansätze dafür lieferte, wie man soziale Hierarchien ausgleichen kann. Wie man uns im Museum erklärte, waren diese Ensembles als Kollektiv auf Schiffen durchs Land unterwegs. Die Schauspieler lebten also mit den Bühnenhelfern zusammen, und die Kabinen an Bord wurden nicht hierarchisch vergeben, sondern per Losverfahren verteilt. So sei es vorgekommen, dass die Hauptdarstellerin auch mal die Fahrt unter Deck ohne Fenster verbringen musste und der Bühnenarbeiter eine richtig schöne Kabine hatte.
Die UZ bietet eine Verlängerung der Reise an, um unter anderem in die Autonome Republik Xinjiang zu fahren. Warum sollte man sich ansehen, wie westlichen Berichten zufolge die nationale Minderheit der Uiguren brutal unterdrückt wird?
Vor Jahren gab es eine Zeit lang sehr große Probleme mit Terrorismus, auch in China. Gerade im Gebiet der Uiguren waren die dagegen ergriffenen Maßnahmen hart. Hinzu kommt der Umstand, dass auch diese Region entwickelt werden sollte. Die Regierung wollte die Armut bekämpfen und geriet dabei auch in Widersprüche zu bestimmten Lebensweisen. Inzwischen geht China sehr offen damit um. Gerade Xinjiang, weil es an der Grenze liegt, ist mittlerweile ein entwickeltes Gebiet. Dort spielt der Binnentourismus inzwischen eine Rolle. Dort wird keineswegs versucht, irgend etwas unter dem Deckel zu halten.
Nachdem Sie und Ihre Delegation eine Reihe von Städten besuchen konnten: Stimmen die Berichte über die umfassende Überwachung?
Das ist durchaus allgegenwärtig: An jeder Straßenecke ist eine Kamera. In Guangzhou war im selben Stadtteil wie das Museum für die Kantonesische Oper eine dieser Basisgruppeneinrichtungen. Diese war eine Anlaufstelle vor allem für Anliegen bei Polizei und Justiz. Drinnen hing ein großer Bildschirm, der auf jede Kamera der Umgebung zugreifen konnte. Die Polizei kann da genau sehen, wie viele Touristen wo im Stadtteil unterwegs sind. Die Frage der öffentlichen Sicherheit wird dort sehr hoch gehalten. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bevölkerung das auf die Weise wahrnimmt wie wir. Für sie scheint es vor allem als Maßnahme der Sicherheit zu gelten. Insgesamt sieht man die diversen Vorkehrungen im öffentlichen Raum, aber sie sind im Hintergrund. Auch wenn es uns in den ersten Tagen aufgefallen war, gewöhnte man sich sehr schnell daran.
Björn Blach (DKP) ist Redakteur der Wochenzeitung Unsere Zeit, der Parteizeitung der Deutschen Kommunistischen Partei. In der DKP ist er im Parteivorstand und Sekretariat für die Organisationspolitik verantwortlich. Beim Parteitag im Juni 2025 haben die Delegierten ihn zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.
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Leserbrief von Anke Otto-Rössig aus Dueodde/Bornholm (Dänemark) (4. August 2025 um 12:31 Uhr)Das Interview ist ja sehr informativ, dennoch beantwortet es leider die interessanteste grundlegendste Frage nicht: Handelt es sich bei der Volksrepublik China noch um ein sozialistisches Land oder nicht?! Einerseits herrscht die Kommunistische Partei und in den vergangenen Jahrzehnten wurden 700 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Ermöglicht durch das Wirtschaftswachstum der Küstenregionen gibt es bereits deutliche Verbesserungen für die Landbewohner. Andererseits verschärft sich aber stetig der Klassenkampf zwischen der hohen Zahl von chinesischen Milliardären und Millionären mit riesigen Privatunternehmen – unter denen es aber unverständlicherweise diverse Mitglieder der KP gibt – und den »einfachen« Arbeitern und Angestellten, die auch verstärkt zu Streikmitteln greifen müssen, um ihre Interessen durchzusetzen. Nach dem Menschenrechtsbericht der UN lebten im Jahr 2007 34,9 % der Chinesen mit einem Einkommen (bei Kaufkraftparität zu Europa) von weniger als 2 US-Dollar pro Tag und 9,9 % der Chinesen mit einem Einkommen von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Am 28. Mai 2020 sagte der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang, dass es in China 600 Millionen Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen und darunter gibt, und ihr durchschnittliches monatliches Einkommen bei etwa 1.000 Yuan (etwa 127 Euro) liegt. Bei europäischen Firmen in chinesischem Privatbesitz wird rigoros eine ausbeuterische Unternehmenspolitik durchgesetzt, auch gegen die gewerkschaftliche Interessenvertretung. Versteht die KP perspektivisch den »marktwirtschaftlichen Tiger zu reiten« im Interesse aller gesellschaftlichen Klassen und Schichten? Hierzu gibt das Interview leider keinen Aufschluss, obwohl es sich hier doch um die wesentlichsten Fragen handelt. Die junge Welt kann hier eine interessante Pro- und Contra-Debatte zur Klärung starten, wie sie einer marxistischen Zeitung würdig ist, ausgehend und klärend anregend vielleicht von einem Interview mit dem chinesischen Botschafter.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Peter S. aus Berlin (4. August 2025 um 16:54 Uhr)Bei der Besprechung dieser Fragen »Handelt es sich bei der Volksrepublik China noch um ein sozialistisches Land oder nicht?!« müsste man wohl am einfachsten damit beginnen, festzulegen was per definitionem die Kennzeichen oder Besonderheiten eines sozialistischen Landes sind oder sein sollen. Schon da gehen die Meinungen auseinander, und man wird zuerst den Grundkonsens finden müssen. Aus marxistischer Sicht wäre die Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln entscheidend, und zu beachten ist auch, dass im historischen Verlauf Mischformen nicht auszuschließen sind. Also nicht »noch ein sozialistisches Land«, sondern »schon ein sozialistisches Land«.
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