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Aus: Ausgabe vom 02.08.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Warum Volksfront gegen den Faschismus?

Vom 25. Juli 1935 bis zum 20. August 1935 tagte in Moskau der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale. Auszug aus dem Referat von Palmiro Togliatti
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Eine Demonstration der Volksfront in Frankreich 1936 wird angeführt von Léon Blum von der Sozialistischen Partei, Maurice Thorez von der Kommunistischen Partei und Pierre Cot von der Radikalen Partei

Wenn es wahr ist, dass eine der Grundeigenschaften des Bolschewismus, eine der grundlegenden Besonderheiten unserer revolutionären Strategie die Fähigkeit ist, in jedem gegebenen Moment festzustellen, wer der Hauptfeind ist, und zu verstehen, alle Kräfte auf den Kampf gegen diesen Feind zu konzentrieren – so müssen wir im gegenwärtigen Augenblick und angesichts der gegebenen Situation um so mehr den Nachweis für diese unsere Fähigkeit erbringen. Das Feuer unseres Kampfes gegen den deutschen Faschismus als Hauptkriegstreiber, als Todfeind der Sowjetunion und der proletarischen Revolution zu konzentrieren – das ist die Pflicht eines jeden Revolutionärs. Wer diese Pflicht nicht versteht, der versteht nichts davon, in welchen Formen sich heute in Europa der Kampf zwischen Reaktion und Revolution abspielt. (…)

Der deutsche Faschismus versucht, reaktionäre Blocks zu schaffen, die sich seinen Eroberungsplänen unterordnen, indem er in den verschiedenen Ländern die reaktionärsten Parteien und faschistischen Cliquen unterstützt. Der erste konkrete Akt dieser Politik war der Abschluss eines Paktes zwischen dem deutschen Nationalsozialismus und dem polnischen Faschismus, Anfang 1934. (…) Alles, was über den Pakt zwischen Polen und Deutschland bekannt ist, zeigt, dass es sich um einen Angriffspakt handelt, der den Zielen der Kriegsvorbereitung dient. Es fehlt dort der geringste Hinweis auf die Unwirksamkeit des Paktes für den Fall, dass einer der Vertragspartner selber der Angreifer wird. Der Pakt bemüht sich, eine gewisse Übereinstimmung in der polnischen und deutschen Propaganda und in der Arbeit dieser beiden Länder unter den Banden der ukrainischen konterrevolutionären Emigranten und der konterrevolutionären westukrainischen Bourgeoisie zustande zu bringen. Alles dies bedeutet, dass sich der polnische Faschismus mit der Unterzeichnung dieses Paktes dem Plan der territorialen Expansion Deutschlands nach dem Osten, dem verbrecherischen Plan des Einfalls in die Sowjetukraine und ihrer Kolonisierung angeschlossen hat.

Ich will nicht auf die Tatsache eingehen, dass das Abkommen zwischen Polen und Deutschland ein Abkommen voller Widersprüche ist . (…) Es genügt ein Minimum an Voraussicht, um zu erkennen, dass die gegenwärtigen Herren Deutschlands noch einmal die nationale Unabhängigkeit des polnischen Volkes in Frage stellen und es noch einmal der Gefahr einer gewaltsamen Aufteilung unterwerfen können. Das kommt der öffentlichen Meinung in Polen immer deutlicher zu Bewusstsein. Das Abkommen mit Polen diente dem deutschen Nationalsozialismus als Sprungbrett, um das Netz seiner Intrigen zu erweitern. Seine unmittelbare Folge war die verschärfte Bedrohung der tschechoslowakischen Grenzen, der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei und eine Steigerung der Aggressivität des deutschen Faschismus in seinem Kampf für die Liquidierung der Ostseestaaten. Dieses Abkommen hatte die außerordentliche Zuspitzung des österreichischen Problems zur Folge. (…) Durch Ausnutzung der auswärtigen Verbindungen bei seinem kriegerischen Vorstoß mobilisiert und spornt der deutsche Faschismus alle Parteien in ganz Europa an, die für den Krieg sind – von England bis zum Balkan, von Finnland bis Spanien, von Holland bis Italien.

So bildet sich in Europa immer deutlicher eine Gruppe kapitalistischer Staaten heraus, die von den kriegerischsten, reaktionärsten Kräften beherrscht und geleitet werden, die unmittelbar an der raschen Entfesselung eines Krieges überhaupt, und insbesondere eines Krieges, der gegen die Sowjetunion gerichtet ist, interessiert sind. Andererseits tritt eine Gruppe kapitalistischer Staaten hervor, in denen sich zum größten Teil das parlamentarische Regime erhalten hat und die mehr oder minder an der Wahrung des Friedens interessiert sind. (…)

Das ist noch ein Argument, Genossen, und zwar keineswegs ein zweitrangiges, das denen entgegengehalten werden muss, die uns fragen, warum wir die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Freiheiten in den Mittelpunkt unserer Einheitsfront- und Volksfrontpolitik stellen. Wir können nicht gleichgültig bleiben angesichts des Entstehens eines von den kriegerischsten und chauvinistischsten Gruppen der Bourgeoisie geführten Staatensystems, angesichts des Wachstums der extremen Kriegsparteien in der ganzen Welt, angesichts der Tendenz zur Bildung eines Blocks einer Reihe faschistischer Länder für den Krieg gegen die Sowjetunion. Im Zusammenhang damit besteht unsere Aufgabe nicht nur darin, die Ereignisse passiv zur Kenntnis zu nehmen, sondern darin, Politik zu treiben, das heißt, in diese Ereignisse einzugreifen, um ihren Lauf zu ändern oder wenigstens den Ausbruch des Krieges hinauszuschieben.

Ercoli (Togliatti): Die Vorbereitung des imperialistischen Krieges und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale. Referat auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (1935)

Hier zitiert nach: Wilhelm Pieck/Georgi Dimitroff/Palmiro Togliatti: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus. Dietz-Verlag, Berlin 1957, Seiten 200–205

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfgang S. aus Berlin-Mariendorf (3. August 2025 um 11:49 Uhr)
    Dieser Auszug von Togliatti und besonders der letzte Abschnitt können als lauter Ruf an die linken Parteien in der deutschen politischen Landschaft verstanden werden. Bitte seht die Gefahr, deren Gesichter die deutsche Regierung Merz und die EU-Kommissionsmitglieder mit Frau von der Leyen an der Spitze sind, seht die eure wahren Handlungsschwerpunkte und überwindet eure immer wieder vehement, kräfteverschleißend vorgetragenen Unterschiede, die ich kleinlich nenne.

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