Neues im Einsatzmittelkatalog
Von Philip Tassev
Nachdem die Bundesregierung vergangene Woche beschlossen hatte, die Bundespolizei flächendeckend mit Elektroschockpistolen, sogenannten Tasern, auszurüsten, hat nun auch die Thüringer Landespolizei angekündigt, den Einsatz dieser Waffen zu prüfen. Demnach sagte ein Polizeisprecher gegenüber der Funke-Mediengruppe, die Taser könnten im Rahmen eines Pilotprojektes getestet werden. Es gebe aber bisher keinen Termin für eine mögliche generelle Einführung.
Von der Thüringer Linkspartei werden die Pläne scharf kritisiert. Ronald Hande, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag, erklärte dazu am Montag: »Taser sind keine harmlosen Hilfsmittel, sondern potentiell tödliche Waffen. Ihre Aufnahme in den Standardkatalog der Bewaffnung der Thüringer Polizei lehnen wir entschieden ab. Die Aufnahme wäre eine gravierende medizinische, taktische und grundrechtliche Gefahr.« Aus gutem Grund seien die Elektroschocker bislang ausschließlich den polizeilichen Spezialeinheiten des SEK vorbehalten.
Hande verwies auch auf Zahlen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der Nachrichtenagentur Reuters, die (weltweit) mehrere Hundert Todesfälle im Zusammenhang mit Tasereinsätzen dokumentiert haben. So starben nach Angaben von Reuters allein im Jahr 2018 mindestens 49 Menschen in den USA , nachdem Polizisten Taser gegen sie eingesetzt hatten.
Distanz-Elektroimpulsgeräte, so die amtliche Bezeichnung der pistolenähnlichen, sogenannten »less-lethal«, also »weniger tödlichen« Waffen. Statt einer Kugel schießen Taser Pfeile oder Nadeln, die über isolierte Drähte mit dem Gerät verbunden sind, in den Körper einer Zielperson und übertragen damit elektrische Impulse, was die getroffene Person für die Dauer des Stromflusses handlungsunfähig machen soll. Die Drähte leiten dabei extrem hohe Spannungen von bis zu 50.000 Volt. Die Geräte würden der Polizei »ein zusätzliches, verlässliches Mittel an die Hand« geben, um »wirkungsvoll, kontrollierbar und unterhalb der Schwelle zum Schusswaffeneinsatz handeln zu können«, wird Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der Mitteilung zitiert, mit der sein Ministerium vergangene Woche den Kabinettsbeschluss bekanntgegeben hatte.
Bei der Bundespolizei wird die Waffe seit 2020 getestet. Speziell geschulte Beamte hätten die Geräte bei über 40.000 Einsätzen mitgeführt, so das Innenministerium. In 132 Fällen sei der Einsatz angedroht worden, in 16 Fällen sei es zur tatsächlichen Anwendung gekommen. Angeblich ergaben sich dabei keine Hinweise auf gesundheitliche Risiken. Es seien in keinem Fall behandlungsbedürftige Verletzungen verursacht worden. Der Taser sei »eine wirkungsvolle Ergänzung im Einsatzmittelkatalog« und genieße »hohe Akzeptanz bei den Einsatzkräften«.
Dem widerspricht Hande. Da die Thüringer Linksfraktion den Tasereinsatz seit der Einführung beim SEK durch parlamentarische Anfragen lückenlos dokumentiere, wisse sie auch, »dass auch innerhalb des SEK erhebliche Vorbehalte bestehen«. Seit 2017 seien Taser dort nur zwei Mal eingesetzt worden, da sich »alternative Einsatzmittel« in gefährlichen Lagen oft als taktisch geeigneter und sicherer erwiesen und zudem »eine bessere Balance zwischen Eigensicherung und Deeskalation« geboten hätten.
Bislang verwenden nur wenige deutsche Polizeibehörden die Elektroschocker. In Hessen wurde der Einsatz nach einer Testphase in Frankfurt 2021 auf das gesamte Bundesland ausgeweitet, die Waffen werden dort inzwischen regulär im Streifendienst mitgeführt. In Rheinland-Pfalz sind seit 2022 einige bestimmte Einheiten vor allem im städtischen Bereich mit Tasern ausgerüstet. In Bayern und Sachsen laufen zur Zeit noch Pilotprojekte im Streifendienst, ausgerüstet sind bisher nur Einheiten wie SEK und MEK. Auch in den übrigen Bundesländern beschränkt sich die Verwendung noch auf Spezialeinheiten.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Santiago Flores/jW07.06.2025
Gezielte Unterrichtung
- spfimages/imago images16.03.2022
Bloße Schutzbehauptung
- arifoto UG/zb/dpa15.10.2019
Staatsnahe Partei
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Zugunfall in Riedlingen
vom 29.07.2025 -
Aufrüstung in der Justiz
vom 29.07.2025 -
Metro auf Schrumpfkurs
vom 29.07.2025 -
»Abschiebehaft ist Freiheitsentzug ohne Straftat«
vom 29.07.2025