Gezielte Unterrichtung
Von Henning von Stoltzenberg
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum »Antifa Ost«-Komplex klagt die Bundesanwaltschaft sieben weitere Personen an, die angeblich dem politischen Umfeld der bereits verurteilten und inhaftierten Lina E. angehören. Das berichtete der MDR am Donnerstag abend unter Berufung auf »mit den Vorgängen vertraute Personen«. Den Beschuldigten werde unter anderem die »Bildung einer linksextremen kriminellen Vereinigung« sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mehrere Personen waren bereits im Mai 2023 vom Oberlandesgericht Dresden verurteilt worden. Es ist angesichts der Anzahl der nun Beschuldigten anzunehmen, dass dieses Verfahren noch umfassender angelegt sein wird als der vorangegangene Prozess.
Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um Johann G. Er war Anfang November 2024 von Zielfahndern des sächsischen Landeskriminalamts (LKA) in einer Regionalbahn in Thüringen festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Zwei weiteren Beschuldigten werfen die Ermittlungsbehörden die Teilnahme an einem Überfall auf den verurteilten Eisenacher Neonazi Leon R. im Dezember 2019 vor. Beide sollen laut den Behörden auch in Auseinandersetzungen mit Neonazis in Budapest im Februar 2023 verwickelt gewesen sein. Einer der beiden Antifaschisten wurde dafür von einem Budapester Gericht zu einer zwischenzeitlich verkürzten dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Überstellung in die Bundesrepublik befindet er sich wegen weiterer Vorwürfe seit Dezember 2024 jedoch wieder in Untersuchungshaft.
Auch ein vierter Beschuldigter soll an den Auseinandersetzungen in Budapest am Rande des faschistischen »Tags der Ehre« beteiligt gewesen sein. Er stellte sich im Januar zusammen mit sechs weiteren Personen den Behörden. Eine weitere Person wurde von der Bundesanwaltschaft im Oktober 2024 in Berlin als Unterstützer der Vereinigung festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Antifaschisten in Kampfsporttechniken trainiert zu haben. Zudem wird er von dem Kronzeugen Johannes D. beschuldigt, an einem Überfall auf die Eisenacher Neonazikneipe »Bull’s Eye« beteiligt gewesen zu sein.
In einer gemeinsamen Stellungnahme bezweifeln derweil acht Verteidigerinnen und Verteidiger der Beschuldigten, dass die Anklage in einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren verhandelt werden kann. Die diese Ermittlungen führende Staatsschutzabteilung des LKA Sachsen hätte nicht neutral ermittelt; zudem seien Informationen aus dem Ermittlungsverfahren rechtswidrig weitergeben worden, hieß es am Freitag. Wiederholt hätten sie feststellen müssen, dass einzelne Medien wohl über das LKA Sachsen über konkrete Ermittlungsergebnisse informiert worden seien, bevor die Verteidigung informiert wurde. Aufgrund dieser gezielten Unterrichtung seien viele Ermittlungsergebnisse und persönliche Informationen veröffentlicht worden. Das letzte »Hintergrundgespräch« des LKA soll demnach am 6. Mai stattgefunden haben. Dabei seien die ausgewählten Pressevertreter vorab sowohl über den zu erwartenden Inhalt der Anklage als auch über die vollen Vor- und Nachnamen der Beschuldigten informiert worden. Der Verteidigung sei zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen, gegen welche Personen mit welchen Vorwürfen der Generalbundesanwalt Anklage erheben würde.
Mehrere der angeschuldigten Personen haben am 14. Mai beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen Denis Kuhne erstattet, den Leiter des Staatsschutzes beim LKA Sachsen. In dessen Verantwortungsbereich fällt der als Geheimnisverrat bezeichnete Vorgang.
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