Grenzkonflikt eskaliert
Von Thomas Berger
Seit Donnerstag morgen (Ortszeit) ist der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha um den Grenzverlauf zwischen beiden Ländern militärisch eskaliert. Beide Seiten werfen sich vor, mit feindlichen Aktionen ihrer Truppen die Gefechte ausgelöst zu haben. Während zu Opfern auf kambodschanischer Seite zunächst nichts bekannt wurde, soll Artilleriefeuer aus Kambodscha in Thailand elf Zivilisten und einen Soldaten getötet haben. Weitere 24 Zivilisten und sieben Soldaten seien verletzt worden, gab die Royal Thai Army (RTA) bekannt. Jüngstes Todesopfer ist laut Aussage des Vizemilitärsprechers ein achtjähriger Junge. Übereinstimmend ist davon die Rede, dass die Feindseligkeiten, die sich später am Tag über einen geographisch ausgedehnteren Raum erstreckten, rund um einen Tempel in einem der in der Zugehörigkeit umstrittenen Sektoren begonnen haben – gelegen zwischen der thailändischen Provinz Surin und der kambodschanischen Provinz Oddar Meanchey.
Schon Ende Mai hatte es, als mutmaßlich Kambodschas Armee einen Vorposten in fraglichem Gebiet zu errichten versuchte, einen kurzen Schlagabtausch gegeben, bei dem ein thailändischer Soldat ums Leben kam. Die Bemühungen in der Folgezeit, die aufgeheizte Stimmung wieder abzukühlen, hatten bei der früheren Premierministerin Thailands, Paetongtarn Shinawatra, zu einer vorläufigen Suspendierung durch das Verfassungsgericht geführt, nachdem Kambodschas einstiger Langzeitherrscher Hun Sen ein Telefonat mit ihr gezielt geleakt hatte, um sie mit darin getätigten Aussagen zu diskreditieren. Offenbar mit Erfolg: Mehrere Institutionen ermitteln gegen Paetongtarn, und in den Sternen steht, ob die noch als Kulturministerin amtierende 38jährige an die Regierungsspitze zurückkehrt oder sogar auf lange Zeit mit einem Politikverbot belegt wird. Thailand und Kambodscha hatten zudem Grenzposten geschlossen sowie Strom- und Internetverbindungen gekappt. Dennoch gab es zumindest punktuelle Signale für eine gewisse Entspannung. Gleichwohl explodierten in den Tagen zuvor zweimal mutmaßlich vom kambodschanischen Militär gelegte Landminen nahe der Grenze, bei denen mehrere thailändische Soldaten schwer verletzt wurden.
Beide Seiten berufen sich jetzt auf das verbriefte Recht zur Selbstverteidigung bei einem Angriff und sehen die Schuld beim Gegenüber. Hun Sens ältester Sohn Hun Manet, der aktuelle Premier Kambodschas, bat über einen Brief an den pakistanischen Botschafter darum, dass sich der UN-Sicherheitsrat, zu dessen nichtständigen Mitgliedern Pakistan seit Juni gehört, mit dem Thema befasst. Die Regierung dementierte die Meldung einer thailändischen Zeitung, Hun Sen habe sich kurz nach Beginn der Kämpfe in ein Privatflugzeug Richtung China gesetzt. Vielmehr sei der Senatspräsident per Videoschalte »aktiv« in die militärischen Kommandostrukturen eingebunden, hieß es.
Unstrittig ist laut den Berichten, dass am späten Vormittag Kampfjets vom Typ F-16 der thailändischen Luftwaffe eine Stellung der kambodschanischen Armee in der Provinz Preah Vihear angegriffen haben. Während etwa die regierungsnahe Khmer Times unter Berufung auf amtliche kambodschanische Stellen von einer weiteren Eskalation sprach, werteten thailändische Militärs den Schritt nur als legitime Antwort auf den vorangegangenen Angriff Kambodschas – und gegen ein klar militärisches Ziel gerichtet. Thailand schloss zudem seine Grenze zu Kambodscha. In mehreren lokalen Medien wurde berichtet, Einwohner grenznaher Dörfer seien in Angst geflohen.
Besorgt zeigte sich der große regionale Nachbar China. »Wir sind zutiefst beunruhigt wegen der jüngsten Entwicklungen und hoffen, dass beide Seiten ihre Angelegenheiten regulär durch Dialog und Konsultationen klären«, erklärte Außenamtssprecher Guo Jiakun am Donnerstag in Beijing. China setze auf Dialog und spiele eine konstruktive Rolle bei der Deeskalation der Situation.
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