Meloni statt Macron
Von Gerhard Feldbauer
Bei einem Besuch des algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune am Mittwoch in Rom ist mit der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni ein umfangreicher Ausbau der bilateralen Beziehungen vereinbart worden, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Während des Gipfeltreffens, das in herzlichem Einverständnis stattgefunden habe, wurden Kooperationsabkommen in den Bereichen Gas, Öl und Digitales, Zusammenarbeit in der Verteidigung, im Kampf gegen den Terrorismus und gegen sogenannte illegale Einwanderung unterzeichnet. »Unsere bilateralen Beziehungen haben ein nie zuvor erreichtes Maß an Intensität und Stabilität erreicht«, erklärte Meloni laut ANSA gegenüber der Presse. Tebboune sagte seinerseits: »Wir haben konkrete Maßnahmen ergriffen, die unseren festen politischen Willen zum Ausdruck bringen, unsere historischen bilateralen Beziehungen zu stärken und unsere Kooperationsbeziehungen weiter auszubauen.«
Durch die Zusammenarbeit zwischen dem algerischen staatlichen Ölgiganten Sonatrach und dem italienischen Konzern ENI will Italien »Tor zwischen der in Afrika produzierten Energie und dem Bedarf in Europa« werden. Die Verträge dazu wurden von Meloni und Tebboune in Anwesenheit der Geschäftsführer der beiden Unternehmen, Rachid Hachichi und Claudio Descalzi, unterschrieben. Zum Inhalt der Vereinbarungen wurden keine Details bekanntgegeben. Beide Seiten hatten jedoch bereits Anfang Juli einen Vertrag über die gemeinsame Produktion von Kohlenwasserstoffen im Wert von 1,35 Milliarden US-Dollar unterzeichnet.
Der Besuch von Abdelmadjid Tebboune in Rom besiegelt die bereits starken Beziehungen zwischen Italien und Algerien. Im Hintergrund steht von italienischer Seite nicht allein der Versuch, bei der Vermarktung von Öl und Gas aus afrikanischen Ländern eine Schlüsselrolle einzunehmen. Auch führt Meloni ihren Plan fort, die Internierung von Migranten an den EU-Außengrenzen in Verhandlungen mit Algerien, Ägypten, Libyen, Tunesien und weiteren Ländern gegen die Zahlung von Hilfsgeldern durchzusetzen.
Seit dem Ausfall der Gasimporte aus Russland war zuerst die frühere italienische Kolonie Libyen für Rom zu einem wichtigen Lieferanten von fossilen Brennstoffen geworden. Bereits im Januar 2023 hatte der Energiekonzern ENI mit der libyschen National Oil Corporation einen Vertrag über rund acht Milliarden Dollar unterzeichnet, der unter anderem die Erschließung von zwei Offshorefeldern vor der libyschen Westküste beinhaltet. Zugleich ist in ihm festgehalten, dass Libyen auf der Mittelmeerroute nach Italien Geflüchtete abfängt und zurückholt. Mit mehr als 3,5 Milliarden Kubikmetern importiertem Gas für die Monate Januar und Februar 2025 hat Italien einen Rekord aufgestellt, den es laut einem Bericht des Gas Exporting Countries Forums größtenteils einem Anstieg seiner Importe aus Algerien um 31 Prozent im Vergleich zu Januar und Februar 2024 verdankt.
Die italienisch-algerische Annäherung findet zudem vor dem Hintergrund von Spannungen zwischen Paris und Algier statt, deren diplomatische Beziehungen sich in einer beispiellosen Krise befinden, die von der Ausweisung von Diplomaten auf beiden Seiten und einem Einfrieren jeglicher Zusammenarbeit geprägt ist. Auslöser war die Anerkennung der völkerrechtlich illegitimen marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara durch Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Sommer vergangenen Jahres. Hinzu kam die Affäre um den algerisch-französischen Schriftsteller Boualem Sansal, der in Algier zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, nachdem er die territorialen Ansprüche Marokkos, die sich nicht nur auf die Westsahara, sondern auch auf Algerien selbst richten, unterstützt hatte. Während Tebboune im Interview mit der französischen Zeitung L’Opinion Anfang Februar noch ein »schädliches Klima« zwischen Algier und Paris beklagt hatte, aber eine »irreparable Trennung« vermeiden wollte, hat er sich nun in Rom anscheinend zu einem Kurswechsel entschlossen und gibt Italien den Vorzug bei der Ausrichtung seiner internationalen Zusammenarbeit.
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