Sanktionen tödlicher als Kriege
Von David Siegmund-Schultze
Wirtschaftssanktionen sind tödlich. Sie führen zu fünfmal so vielen Toten wie durch Kriege. Das belegt eine am Mittwoch in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie. Demnach seien von 1971 bis 2021 jährlich schätzungsweise 564.000 Menschen infolge von Wirtschaftssanktionen gestorben – durch Kampfhandlungen in Kriegen waren es durchschnittlich 106.000.
Unilaterale Sanktionen werden in der Regel von den USA oder der EU gegen Länder des globalen Südens verhängt – nach eigenem liberalen Credo offiziell, um Demokratie, Menschenrechte oder Frieden herbeizuführen. Tatsächlich geht es meistens darum, unliebsame Regierungen zu stürzen. Die Folge sind der »Kollaps der Wirtschaft in den Zielländern« und eine Kollektivbestrafung ihrer Bevölkerungen, so Ökonomieprofessor Francisco Rodríguez, einer der Autoren der Studie, gegenüber dem Center for Economic and Policy Research (CEPR).
Die Wirtschaftswissenschaftler haben die Sterblichkeitsraten nach Altersgruppen in 152 Ländern untersucht. Neben einer jährlichen Übersterblichkeit von mehr als einer halben Million Menschen konnten die Autoren auch eine erhöhte Säuglings- und Müttersterblichkeit nachweisen. Denn wirtschaftliche Sanktionen hätten erhebliche negative Effekte auf die Gesundheitsversorgung sowie den Zugang zu Medikamenten und Lebensmitteln. Vulnerable Gruppen seien besonders betroffen – laut der Studie sind 51 Prozent der Gestorbenen unter fünf Jahre alt.
Mit dem US-Dollar als globaler Leitwährung, seinem hohen Anteil am Welthandel und Einfluss auf Geldgeber wie den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank haben die westlichen Industriestaaten erhebliche Machtmittel in der Hand, die sie gegen abhängige und arme Länder einsetzen. Ein emblematisches Beispiel ist Kuba, das seit 1962 ökonomisch stranguliert wird. Dabei werden die Sanktionen als »weniger tödliche, nahezu gewaltfreie politische Alternative zu militärischer Gewalt« dargestellt, so Mark Weisbrot, ein weiterer Autor der Studie. Die Untersuchung zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Trotzdem werden solche Maßnahmen immer öfter eingesetzt. Während 1960 noch acht Prozent aller Staaten von ihnen betroffen gewesen seien – sei der Anteil zwischen 2010 und 2022 bereits auf 25 Prozent gestiegen.
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