Schlagabtausch mit Priština
Von Slavko Stilinović
Die Festnahme von Igor Popović durch die Behörden des Kosovo hat nicht nur in Serbien, sondern auch international Besorgnis ausgelöst. Der stellvertretende Direktor des Büros für Kosovo und Metochien der serbischen Regierung ist am Freitag vergangener Woche am Grenzübergang Brnjak von Grenzpolizisten verhaftet worden, nachdem er bei einer Gedenkveranstaltung in Orahovac Kämpfer der sogenannten Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) als »Terroristen« bezeichnet hatte. Ihm wird vorgeworfen, damit gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Ein Gericht in Priština ordnete am 20. Juli eine 30tägige Untersuchungshaft an.
In ersten Stellungnahmen mahnten die Vertretungen der EU, der OSZE und auch Deutschlands im Kosovo »Rechtsstaatlichkeit« an. »Ordnungsgemäße Verfahren müssen vollständig gewahrt bleiben. Nur durch Dialog kann ein Fortschritt in der Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Priština erreicht werden. Äußerungen und Handlungen, die diesem Ziel nicht dienen, sollten vermieden werden«, heißt es zum Beispiel in einem Statement aus Brüssel. Offizielle Vertreter Serbiens reagierten jedoch empört. Ihnen zufolge will Kosovo mit der Festnahme von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Prištinas Premierminister Albin Kurti wolle »neue Spannungen schüren und das serbische Volk einschüchtern, weil er seine Probleme im Parlament nicht lösen kann«, gab das Büro für Kosovo und Metochien bekannt.
Popovićs Anwalt Dejan Vasić traf sich bereits mit seinem Mandanten und betonte, dass dessen Aussagen unter das Recht auf Meinungsfreiheit fielen: »Ich bin überzeugt, dass Popovićs Rede kein strafbares Verhalten darstellt. Selbst klare, kritische Meinungsäußerungen sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs des Kosovo nicht strafbar«, sagte Vasić unter Verweis auf einen vergleichbaren Fall und verwies zudem auf Popovićs langjähriges Engagement in Kommissionen für vermisste Personen – sowohl Serben als auch Albaner – und seinen Beitrag zur Verbesserung des Lebens der Menschen im Kosovo.
Am Dienstag besuchten Popovićs Eltern ihren Sohn in der Haftanstalt in Gnjilane. Sein Vater erklärte, die Familie sei tief erschüttert: »Mein Sohn hat niemanden beleidigt, er hat lediglich über Tatsachen gesprochen. Er glaubt an die Wahrheit und hofft, dass er freigelassen wird«, sagte Petar Popović. Er betonte, dass sein Sohn korrekt behandelt werde, medizinisch versorgt sei und sich in einem stabilen Zustand befinde. Igor Popović sei außerdem dankbar für die Unterstützung seiner Verwandten und Kollegen sowie des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, die alle davon überzeugt seien, dass er nichts Illegales getan habe.
Das Büro für Kosovo und Metochien ist eine staatliche Behörde der serbischen Regierung, die sich mit politischen, humanitären und kulturellen Fragen rund um das Kosovo befasst. Es koordiniert unter anderem die Unterstützung für die dortige serbische Bevölkerung und pflegt die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Die Auseinandersetzungen um das Kosovo reichen dabei weit zurück. Das Gebiet gilt vielen Serben als historisches Herzstück der Nation. Gleichzeitig stellen Albaner im Kosovo seit Jahrzehnten die Mehrheit – sie strebten mehr Autonomie und schließlich Unabhängigkeit an. In den 1990er Jahren, mit der Aufspaltung Jugoslawiens, spitzte sich die Lage zu. Der Konflikt zwischen Serbien und der UÇK mündete 1998/1999 in einen Krieg, der mit einer NATO-Intervention mit deutscher Beteiligung und der gewaltsamen Abtrennung des Kosovo endete.
Zunächst stand Kosovo unter UN-Verwaltung, 2008 erklärte das Gebiet einseitig seine Unabhängigkeit. Diese wurde von den USA, Deutschland und den meisten westlichen Ländern anerkannt – nicht aber von Serbien, Russland, China und mehreren EU-Staaten wie Spanien oder Griechenland. Für Serbien ist das Kosovo bis heute offiziell eine autonome Provinz innerhalb des eigenen Staatsgebiets. Die widerstreitenden Positionen sind Quelle anhaltender Spannungen. In dem komplexen und sensiblen politischen Umfeld kommt es immer wieder zu Zwischenfällen wie dem aktuellen Fall Igor Popović.
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