Gaza soll israelisch werden
Von Jakob Reimann
Gaza soll israelisch werden: Zunächst müsse dafür der Norden der abgeriegelten Enklave annektiert werden, erklärte Israels faschistischer Finanzminister Bezalel Smotrich auf einer Konferenz zur israelischen Besiedlung Gazas am Dienstag. Das sei »aus Sicherheitsgründen« nötig, habe Eyal Zamir, Generalstabschef und Israels höchster Militär, ihm jüngst erzählt. »Am 7. Oktober 2023 endete das Kapitel der arabischen Geschichte Gazas«, verkündete Daniella Weiss, Vorsitzende der Nachala-Siedlungsbewegung, laut Jerusalem Post auf der in der Knesset abgehaltenen Konferenz mit dem Namen »Die Riviera in Gaza: von der Vision zur Realität«. Der Name ist eine Anspielung auf den von US-Präsident Donald Trump im Februar vorgestellten Plan, laut dem der Küstenstreifen von palästinensischen Menschen gesäubert und in die »Riviera im Nahen Osten« verwandelt werden solle. Der in Jerusalem vorgestellte Plan sieht nun vor, Gaza unter volle israelische Souveränität zu stellen und den Küstenstreifen in ein »entwickeltes und innovatives Gebiet« mit Wohnraum für Hunderttausende Israelis umzuwandeln. Laut den Organisatoren gehörten dazu landwirtschaftliche Projekte, See- und Flughäfen, Industriegebiete, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen – also all das, was die israelischen Streitkräfte seit 21 Monaten nahezu vollständig zerstört haben.
»Wir haben starke Unterstützung von Präsident Trump, Gaza in eine wohlhabende Region zu verwandeln, eine Küstenstadt mit Siedlungen und Arbeitsplätzen«, sagte Smotrich auf der Konferenz; man solle »groß denken« und Gaza »erobern und als integralen Bestandteil des Staates und des Landes Israel besiedeln«. Die Konferenz wurde von zwei Abgeordneten der extrem rechten Regierungspartei Religiöser Zionismus geleitet, darunter Zvi Sukkot. Der war Repräsentant der faschistischen Terrorgruppe »The Revolt«, die in Israel die Errichtung eines jüdischen Königreichs anstrebt und für mehrere Brandanschläge im besetzten Westjordanland verantwortlich war. Bei einem solchen Anschlag im Dorf Duma bei Nablus im Juli 2015 verbrannte der 18 Monate alte Ali Dawabsheh bei lebendigem Leib. »Wir werden große Städte und Festungen bauen«, sagte Sukkot auf der Konferenz, »und zwar im gesamten Gazastreifen«.
Um diesen Zielen näherzukommen, wird der Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gaza weiter eskaliert. 113 Palästinenser wurden laut Angaben der Gesundheitsbehörde des Küstenstreifens in den vergangenen 24 Stunden von israelischen Soldaten getötet, hieß es am Mittwoch nachmittag beim US-Nachrichtenportal Drop Site News. Unter den Toten befinden sich 34 Personen, die von israelischen Soldaten getötet wurden, als sie an Verteilstellen für Hilfslieferungen an Nahrung gelangen wollten. Seit der Einführung dieser von US-Söldnern betriebenen Zentren, die UNRWA-Chef Philippe Lazzarini als »sadistische Todesfallen« bezeichnet, wurden bereits mindestens 1.060 Hilfesuchende getötet und mehr als 7.207 verletzt. »Nahezu täglich kommt es zu Massakern bei der Verteilung von Lebensmitteln in Gaza«, berichten 109 internationale NGOs, darunter Amnesty International, Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und die Welthungerhilfe, in einer gemeinsamen Erklärung am Mittwoch. »Massenverhungerung breitet sich in Gaza aus«, heißt es darin. Die Organisationen fordern die Aufhebung der Belagerung Gazas sowie den uneingeschränkten Zugang für lebensrettende Hilfsgüter unter UN-Aufsicht.
Unterdessen mussten in Gaza sechs weitere Gesundheitseinrichtungen den Dienst einstellen, da Israel die Versorgung mit Treibstoff für die Generatoren blockiere, erklärte das palästinensische Gesundheitsministerium am Dienstag. Darunter eine Dialyse- und eine zentrale Sauerstoffstation. Die übrigen Krankenhäuser der abgeriegelten Enklave könnten demnach innerhalb der nächsten 48 Stunden geschlossen werden müssen, sollte Israel nicht die sofortige Lieferung von Treibstoff ermöglichen. Seit Wochen warnen UN-Organisationen davor, dass die Blockade von Kraftstofflieferungen zum baldigen Kollaps des humanitären Versorgungssystems Gazas führen werde.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (24. Juli 2025 um 10:24 Uhr)Meiner Meinung nach strebt Israel nicht nur aus ideologischen oder sicherheitspolitischen Gründen eine Annexion des Gazastreifens an, sondern auch aus wirtschaftlichem Kalkül. Vor der Küste Gazas liegen große Erdgasreserven, deren Erschließung für Israel von strategischer Bedeutung wäre – insbesondere angesichts der Tatsache, dass Israel ein Land mit sehr begrenzten natürlichen Ressourcen ist. Ohne nennenswerte Bodenschätze, mit wenig Süßwasser und einer fast rein technologiebasierten Wirtschaft, ist der Zugang zu solchen Energiequellen ein entscheidender Anreiz. Eine vollständige Kontrolle über Gaza würde es Israel ermöglichen, diese Vorkommen wirtschaftlich zu nutzen und möglicherweise zur Refinanzierung seiner kostspieligen Militärpolitik beizutragen. In diesem Licht erscheint die systematische Zerstörung der zivilen Infrastruktur und die Blockade humanitärer Hilfe nicht nur als Sicherheitsmaßnahme, sondern auch als Teil einer langfristigen Strategie zur wirtschaftlichen und territorialen Ausweitung. Wer hätte je gedacht, dass ein Staat, der aus der Geschichte der Verfolgung und Vernichtung des jüdischen Volkes hervorgegangen ist, im 21. Jahrhundert selbst eine Politik verfolgen würde, die so offensichtlich gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt? Es ist schwer zu begreifen, dass aus dem kollektiven Trauma von Entrechtung, Vertreibung und Mord kein größeres politisch-moralisches Verantwortungsbewusstsein gewachsen ist – besonders im Umgang mit einem anderen entrechteten Volk.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (24. Juli 2025 um 16:25 Uhr)Lieber Istvan H. »Wer hätte je gedacht …?« ist eine sehr polemische Frage, wenn es um real existierende Grausamkeit geht. Es geht überhaupt nicht darum, ob jemand die Phantasie besessen hat anzunehmen, dass eine zutiefst grausame Gesellschaft zutiefst grausam sein kann. Selbst dem Herrgott fehlte diese Phantasie, als er den Menschen nach seinem Bilde schuf. Und miterleben musste, dass schon in der zweiten Generation die göttliche Mitgabe versagte, als Kain seinen Bruder Abel erschlug. Die nützlichere Frage ist, was zu tun ist, um das Morden im Gazastreifen endlich zu beenden. Ein Teil der Antwort darauf wäre, den Mördern keine deutschen Mordwerkzeuge mehr zu liefern. Das ist es, worauf wir hinwirken sollten. Alles andere bleibt reine Rabulistik a la Merz: hohle Phrasen, keine Taten.
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