Exempel mit Exguerillero
Von Thomas Walter
Das frühere Mitglied der Roten Brigaden, der Italiener Leonardo Bertulazzi, ist in Buenos Aires erneut festgenommen worden, um nach Italien ausgeliefert zu werden. Bertulazzi wurde in den 80er Jahren von einem italienischen Sondergericht in Abwesenheit zu 27 Jahren Haft verurteilt, wegen der Entführung eines Industriellen, die mit der Zahlung eines Lösegeldes in Millionenhöhe und dessen Freilassung endete. Nachdem Argentiniens ultrarechter Präsident Javier Milei vor knapp einem Jahr Bertulazzis 2004 gewährten Status als politischer Flüchtling aufgehoben hatte, wurde der heute 73jährige verhaftet. Aus gesundheitlichen Gründen wurde die Haft im Hausarrest gewährt, bis zum 1. Juli dieses Jahres, als der Oberste Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Auslieferung nach Italien bestätigte und Bertulazzi wegen erhöhter Fluchtgefahr wieder ins Gefängnis überstellt wurde. Am Freitag hob nun das Kassationsgericht für Strafsachen die Widerrufung des Hausarrests auf.
Hintergrund des erneuten Versuches der Auslieferung könnte ein Deal zwischen Milei und der ebenfalls äußerst rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sein, des Inhalts, dass Italien einen von der argentinischen Justiz in Auslieferung verlangten Folterer der Diktatur, den Pfarrer Franco Reverberi, weiterhin beschützt, Argentinien dafür im Gegenzug den Exguerrillero nach Italien ausliefert.
Rodolfo Yanzón, der Rechtsanwalt von Bertulazzi, sagt dazu im Gespräch mit jW: »Die aktuelle Regierung Argentiniens hat von Anfang an mit Dekreten regiert, und dabei eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die empfindlich die Rechte von Arbeitern, von Migranten, und unter anderem auch von politischen Flüchtlingen einschränken. Der Festnahme von Bertulazzi liegt eine Absprache zwischen Milei und Meloni von letztem Jahr zugrunde, seinen Schutz als Geflüchteter zu beenden und seine Auslieferung zu betreiben. Leider ist das keine Ausnahme, denn obwohl Argentinien historisch eine starke Tradition des Schutzes von Flüchtlingen hat, haben die sogenannten Unternehmerregierungen, beginnend mit Mauricio Macri 2015 und jetzt unter Javier Milei, die Umsetzung der UN-Flüchtlingskonvention stark eingeschränkt.«
Yanzón hat, mit der Unterstützung der Menschenrechtsvereinigungen Argentiniens, bereits eine Reihe von Gegenmaßnahmen eingeleitet. So soll vor einem »Juzgado Centencioso Administrativo Federal«, was einem deutschen Verwaltungsgericht entspricht, die Frage geprüft werden, auf welcher rechtlichen Grundlage die Regierung das politische Refugium Bertulazzis annulliert hat. Außerdem hat Yanzón sowohl vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof wie vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen Beschwerde gegen die Haft eingelegt.
Der Anwalt beklagt, dass die Regierung mit ihrer Rhetorik, dass »in Argentinien keine Terroristen mehr geschützt werden«, an eine Praxis aus den Zeiten der Diktatur anknüpft. Damals in den siebziger Jahren wurden nach dem Militärputsch Hunderte von politischen Flüchtlingen, die ihrerseits vor den Militärdiktaturen in Uruguay, Chile, Brasilien und Paraguay geflohen waren, in Argentinien verschleppt und ermordet. Diese gegenseitige Hilfe von Diktaturen geschah im Rahmen der »Operation Condor«, die die physische Ausmerzung jeder linken Opposition zum Ziel hatte. Die USA unterstützten damals diese Zusammenarbeit logistisch und finanziell, lieferten technische Hilfsmittel und gaben Ausbildungskurse für die Agenten in der »School of Americas« in Panama.
In Argentinien wären die Vorwürfe, wegen derer der ehemalige Militante in Abwesenheit verurteilt wurde, schon längst verjährt. Auch der politische Kontext des bewaffneten Kampfes, in dem die Aktionen stattfanden, ist fünf Jahrzehnte später kaum noch vermittelbar. »Leonardo muss in Argentinien auf freien Fuß gesetzt werden, bis die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gefallen ist, was sicherlich Jahre dauern wird«, sagt Yanzón. »Die rechtliche Situation von Leonardo ist die eines anerkannten politischen Flüchtlings gemäß der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen.«
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