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Aus: Ausgabe vom 21.07.2025, Seite 5 / Inland
Erneuerbare Energien

Stromakkus auf der grünen Wiese

Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu speichern ist möglich. Fraglich ist, ob die Politik das will
Von Wolfgang Pomrehn
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Strom aus erneuerbaren Energiequellen kann gespeichert werden. Aber wer wird das bezahlen?

Die Stromproduktion der Windkraftanlagen ist im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückgegangen. Das geht aus einer Auswertung des Umweltbundesamtes (UBA) hervor. Grund waren einige ungewöhnlich windschwache Monate. Auch die Wasserkraftwerke lieferten aufgrund ausgebliebener Niederschläge erheblich weniger Strom. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte am Dienstag ganz ähnliche Zahlen veröffentlicht, was einige konservative Medien wie den Münchner Merkur sogleich unken ließ, Deutschland brauche eben doch Kohle- und Gaskraftwerke.

Das Bild ist allerdings deutlich differenzierter. Immerhin liegt der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Menge des Bruttostromverbrauchs im öffentlichen Netz laut UBA immer noch bei 54 Prozent, was nur geringfügig unter dem Niveau des gesamten Vorjahres ist. Rechnet man den nicht unerheblichen Eigenverbrauch der Kohle- und Gaskraftwerke heraus, kommt man für das erste Halbjahr 2025 sogar auf einen Anteil von 55,8 Prozent am Nettostromverbrauch, wie aus den Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme hervorgeht. Letztlich hat der Rekord bei der Stromausbeute der Solaranlagen einen Teil des Minus beim Wind ausgleichen können. Insgesamt wurden laut UBA dank erneuerbarer Energieträger, zu denen neben den genannten auch Biogas gehört, zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni rund 142 Milliarden Kilowattstunden ins Netz eingespeist. Das sind etwa sieben Milliarden Kilowattstunden weniger als im ersten Halbjahr 2024, aber gut sechs Milliarden Kilowattstunden mehr als in der zweiten Hälfte 2024.

Allerdings macht der Verlauf deutlich, dass mehr Speicher gebaut werden müssen, und zwar Speicher unterschiedlicher Art. Zum einen solche, die den Strom für einige Stunden oder wenige Tage speichern, den tagsüber sehr reichlich anfallenden Sonnenstrom in die Nacht umverteilen oder eher bewölkte Tage überbrücken. Zum anderen werden Speicher benötigt, die große Mengen Strom über viele Tage oder auch mehrere Wochen zurückhalten.

Was die kurzfristige Speicherung angeht, so werden schon seit langem Pumpspeicherkraftwerke genutzt, in denen Wasser mit überschüssigem Strom in ein höher gelegenes Becken gedrückt wird, um es bei Bedarf eine Turbine antreibend abzulassen. 9,9 GW Leistung sind derzeit installiert, womit für einige wenige Stunden je nach Tageszeit 14 bis 25 Prozent des deutschen Bedarfs abgedeckt werden können. Doch inzwischen werden diese konventionellen Speicher von Akkus in den Schatten gestellt. 14,4 GW Batterieleistung sind in Deutschland inzwischen vorhanden. Zum Teil finden diese sich in Privathäusern, da heute viele Eigenheimbesitzer einen Speicher anschaffen, wenn sie sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben lassen. Zum Teil setzen aber auch Stromnetzbetreiber und andere Unternehmen große Ansammlungen von Akkus auf die grüne Wiese, um das Netz zu stabilisieren und zugleich auch noch ein Zusatzgeschäft zu machen. Denn oft kann an besonders wind- oder sonnenreichen Tagen Strom an der Leipziger Börse ziemlich günstig eingekauft und zu anderen Zeiten für einen deutlich höheren Preis wieder verkauft werden. Ob sich derartige Geschäftsmodelle auch in Zukunft rechnen, hängt nicht zuletzt vom Willen des Gesetzgebers ab. Der hat diverse Stellschrauben, wie etwa die Verteilung der Netzkosten, mit denen er auch Speicherbetreiber stärker zur Kasse bitten könnte. Derzeit deutet einiges darauf hin, dass die ganz auf neue Gaskraftwerke fixierte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU, bis vor kurzem Managerin einer RWE-Tochter) entsprechende Pläne hat. Nach der Sommerpause könnte es einige Überraschungen geben, mit denen die nach ihren Worten »völlig übertriebene« Energiewende ausgebremst werden soll.

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