»Hier gab es lange keine aktiven Antifagruppen«
Interview: Hendrik Pachinger
Antifaschistische Kräfte sehen sich in Bayreuth zunehmend von rechts unter Druck gesetzt. Die Rede ist von Sachbeschädigungen, Drohungen und jetzt auch physischen Übergriffen. Wie muss man sich das vorstellen?
Es werden regelmäßig Aktivistinnen und Aktivisten angegriffen und bedroht. Im ganzen Stadtgebiet gibt es große Mengen an Schmierereien, darunter Sprüche der SS und der SA, Hakenkreuze und andere Symbole. Die Stadt ist sich des Problems bewusst und versucht, die Schmierereien zu entfernen. Leider ist das vergeblich, da innerhalb kürzester Zeit wieder alles voll ist mit diesen rechten Symbolen und Stickern.
Vor knapp zwei Monaten standen fünf bewaffnete Neonazis bei einem Mitglied aus Ihrer Gruppe vor der Tür. Was ist passiert?
Anfang Mai kam es zu einem Hausbesuch bei einer unserer Aktivistinnen. Dabei drangen fünf bewaffnete Neonazis in ihr Wohnhaus ein und versuchten gewaltsam, die Tür zu öffnen. Dabei wurden rechtsradikale Parolen gerufen und Drohungen ausgesprochen wie »Dich Kommunistenfotze machen wir kalt«, »Scheiß Transe, du gehörst ins KZ« und »Dreckige linke Zecke, wenn wir dich erwischen, bist du tot«. Einige Wochen später, Anfang Juni, wiederholte sich das Ganze: Der Briefkasten wurde mit »1161« (Chiffre für »Antiantifa«, jW) beschmiert und mehrere Hakenkreuze im Umfeld der Wohnung angebracht, verbunden mit einer klaren Morddrohung: »Du bist tot«, wobei der dazu angebrachte Nachname in Verbindung mit dieser Drohung stand. Diese Einschüchterungsversuche sind äußerst beängstigend und zeigen, wie ernst die Bedrohung ist.
2024 gab es in der Stadt einen gewalttätigen Übergriff. Warum fühlen sich die Faschisten in der Region so sicher?
Die Region Bayreuth ist schon seit langem ein Ziel für Neonazis. Das fing Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre mit Kameradschaften der damaligen NPD an und ging weiter mit dem »Freien Netz Süd«, kurz FNS, das wiederum in heutige Vernetzungen übergegangen ist. Es gibt mehrere Burschenschaften, von denen eine sogar Verbindungen zum NSU hatte. Wunsiedel, nur wenige Kilometer entfernt, war bekannt für die Rudolf-Heß-Gedenkmärsche.
Zudem gab es in Bayreuth lange keine aktiven antifaschistischen Gruppen, was den Neonazis den Raum gab, ungestört ihre Aktivitäten durchzuführen. Mit aktuellen Neugründungen sowie den damit verbundenen Archiv- und Recherchearbeiten wurde in dieses braune Wespennest gestochen und erheblicher Widerstand erzeugt.
Das Grab von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß war viele Jahre Pilgerort für Neonazis, auch nachdem es aufgelöst wurde. Wie steht es derzeit um die faschistische Szene in Oberfranken, und wie ist diese vernetzt?
Die ist weiterhin aktiv, auch wenn es in manchen Bereichen ruhiger geworden ist. Wir wissen, dass Neonazis in Bayreuth gute Kontakte in die Stadt Hof pflegen und auch im Osten Deutschlands vernetzt sind. Besonders im ländlichen Raum zwischen Bayreuth und Wunsiedel tauchen immer wieder Sticker und Material des »Dritten Wegs« auf. Außerdem sind dort vermehrt Neonazis im Stil der 1990er Jahre unterwegs, also mit Springerstiefeln, Glatzen und Bomberjacken. Auch wenn der letzte große Aufmarsch am Grab von Rudolf Heß 2023 stattgefunden hat, bleiben die Faschisten hier aktiv und gut vernetzt.
Auffällig ist die Abwesenheit oberfränkischer Neonazis am Rande des aktuellen Protestgeschehens in Nürnberg, das sich zum Sammelpunkt rechter Vernetzungsversuche in Bayern entwickelt hat. Haben Sie Ideen, warum das so ist?
Wir vermuten, dass das an der Struktur der Neonaziszene in Oberfranken liegt. Die Bayreuther Neonazis sind vor allem in Richtung Thüringen und Sachsen vernetzt. Sie treffen sich eher mit Gruppen aus diesen Regionen. Deshalb sind sie weniger bei den Protesten in Nürnberg vertreten, die eher eine zentrale Vernetzungsplattform in Bayern sind.
Caro Hübner (Name geändert) spricht für die antifaschistische Gruppe »Schwarze Katze« aus Bayreuth
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- IMAGO/Eventpress26.06.2025
Wie Pilze aus dem Boden
- Peter Kneffel/dpa22.06.2022
Faschisten wollen Deals mit Justiz
- Martin Schutt/dpa20.05.2019
Ultrarechte verstärkt online aktiv
Mehr aus: Inland
-
Luftnummer als Wahlmanöver
vom 21.07.2025 -
»Psychologinnen warnen vor Stigmatisierung«
vom 21.07.2025 -
Palmer bereitet die Bühne
vom 21.07.2025 -
Stillstand bei Richterwahl
vom 21.07.2025 -
Streikvorbereitungen bei Tik Tok
vom 21.07.2025 -
Stromakkus auf der grünen Wiese
vom 21.07.2025