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Aus: Ausgabe vom 19.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Brasilien

Keine Befehle aus den USA

Handelskonflikt zwischen Vereinigten Staaten und Brasilien spitzt sich nach Trumps Zolldrohung zu
Von Volker Hermsdorf
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Keine Angst vor Trumps Zöllen: Demonstranten in São Paulo, Brasilien (10.7.2025)

Der Handelsstreit zwischen den USA und Brasilien hat sich in den vergangenen Tagen verschärft. US-Präsident Donald Trump belastet mit der Androhung von 50prozentigen Einfuhrzöllen ab dem 1. August nicht nur Brasiliens Wirtschaft, sondern auch das politische Klima zwischen den beiden Ländern. Offiziell begründete er die Maßnahme mit unfairen Handelspraktiken und verwies auf eine »umfassende Untersuchung brasilianischer Handelsbarrieren« sowie »illegale Eingriffe« des brasilianischen Obersten Gerichtshofs gegen US-amerikanische Social-Media-Firmen. Doch der Hintergrund ist politisch. Trump versucht Einfluss auf den laufenden Prozess gegen den Expräsidenten Jair Bolsonaro zu nehmen und den amtierenden linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu schwächen. Dieser sagte am Donnerstag vor einer Versammlung linker Studenten im Bundesstaat Goias: »Kein Gringo wird diesem Präsidenten Befehle erteilen.«

Lula hatte als Reaktion auf Trumps Drohungen am Montag ein Dekret zur Anwendung eines Gesetzes unterzeichnet, das Gegenmaßnahmen bei einseitigen Handelsbeschränkungen anderer Länder gegen Brasilien ermöglicht. Als Retourkutsche erklärte der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer, er habe – auf Anweisung des Präsidenten – eine Untersuchung zu »Brasiliens unfairen Handelspraktiken« eingeleitet. Washington heizte den Konflikt mit der zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt damit weiter an. Der Kongress in Brasília reagierte schnell und einmütig. Die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses, Davi Alcolumbre und Hugo Motta, verurteilten die US-Maßnahmen am Mittwoch als »ungerechtfertigte Aggression«. Sie kündigten eine koordinierte Antwort von Parlament und Regierung an, um Wirtschaft und nationale Interessen zu schützen. Die Regierung solle Handelsschutzmaßnahmen ergreifen, um betroffene Branchen zu unterstützen.

Lulas Kabinett kritisierte die US-Zölle als eine »sehr negative Maßnahme«, die eine historisch stabile Partnerschaft gefährde. Außenminister Mauro Vieira und Handelsminister Geraldo Alckmin betonten in einem Schreiben vom Dienstag erneut ihre Bereitschaft, konstruktiv einen Weg zu suchen, der für beide Seiten akzeptabel sei. Doch Brasilien warte seit Mai auf eine Antwort der US-Regierung, um Verhandlungen fortzuführen, erklärten sie. In einem Schreiben unterstrichen die Minister, dass trotz jahrelanger Handelsdefizite Brasiliens gegenüber den USA noch eine enge Kooperation bestehe, die es zu schützen gelte. Doch die Chancen auf eine Einigung werden weniger. In den produktiven und kommerziellen Sektoren des Landes sorgen die Zölle, die ab dem nächsten Monat eine breite Palette brasilianischer Produkte betreffen könnten, für Besorgnis. Brasilien ist stark von seinen Exporten auf internationale Märkte abhängig, darunter auch in die USA. Die Maßnahme könnte Schlüsselbranchen wie Landwirtschaft, Industrie und Handel beeinträchtigen, die einen bedeutenden Teil der Handelsbilanz ausmachen.

Eine am Mittwoch veröffentlichte Analyse der brasilianischen Industriellenvereinigung (CNI) prognostiziert einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,16 Prozent durch die 50prozentigen Zölle. Die wirtschaftlichen Verluste würden sich auf umgerechnet rund 3,45 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen, allein durch rückläufige Exporte in Höhe von etwa 9,35 Milliarden US-Dollar. Besonders betroffen wären die Branchen Luftfahrt, Schiffbau, Agrarmaschinen sowie Geflügelfleisch. Die Studie warnt auch vor dem Verlust von rund 110.000 Arbeitsplätzen. Andererseits hieß es, die makroökonomischen Effekte würden für Brasilien zwar spürbar, aber nicht existenzbedrohend sein. Die Auswirkungen auf den globalen Handel wären indes ebenfalls spürbar. Experten rechnen mit einem Rückgang des weltweiten Handelsvolumens um 2,1 Prozent und einem globalen BIP-Einbruch von 0,12 Prozent. Selbst der US-Wirtschaft drohten laut der Analyse Einbußen von 0,37 Prozent ihres BIP, da die Preise für Güter wie Kaffee oder Orangensaft deutlich steigen könnten.

In Brasilien haben die Drohungen der USA auch eine von Trump mit Sicherheit nicht beabsichtigte politische Wirkung. Laut einer aktuellen Umfrage stieg die Zustimmung zur Lula-Regierung erstmals in diesem Jahr von 40 auf 43 Prozent. Gleichzeitig lehnen 72 Prozent der Befragten die US-Zölle als ungerechtfertigte Maßnahme ab.

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