Anklage gegen Bolsonaro
Von Volker Hermsdorf
Die brasilianische Justiz nimmt die extreme Rechte ins Visier. Die reagiert darauf auch durch eine Verschärfung des wirtschaftlichen Drucks auf die Regierung. Am Montag (Ortszeit) hatte die Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Bundesgericht Anklage gegen den faschistischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro und sieben seiner engsten Vertrauten eingereicht. Die Vorwürfe lauten: versuchter Staatsstreich, Bildung einer bewaffneten kriminellen Vereinigung, versuchte gewaltsame Abschaffung der demokratischen Ordnung, schwere Sachbeschädigung und Angriff auf geschützte staatliche Einrichtungen. Die Beweislage sei erdrückend, schrieb sogar die rechte Tageszeitung O Globo am Dienstag. Während die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr als 40 Jahren fordert, holen Hintermänner und Helfer des Putschversuchs zum Gegenschlag aus. Dabei haben sie mächtige Verbündete. Beobachter sehen in der Androhung neuer Zölle durch US-Präsident Donald Trump auch eine Reaktion auf die von ihm unterstellte »Hexenjagd gegen Bolsonaro«.
Im Zentrum der Anklage gegen die rechten Verschwörer stehen die Ereignisse vom 8. Januar 2023, als Unterstützer Bolsonaros eine Woche nach der Amtseinführung des linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva die zentralen Machtinstitutionen in Brasília stürmten, um die Militärführung zur Machtübernahme zu zwingen. Die Justiz sieht in Bolsonaro und seinem Umfeld nicht nur die politischen, sondern auch die organisatorischen Drahtzieher. Inzwischen liegen dem Obersten Bundesgericht Hunderte Zeugenaussagen sowie digitale und physische Beweise vor – ein Urteil wird bis Oktober erwartet. Rund 30 weitere Mitverschwörer warten noch auf ihre Verfahren. »Wir befinden uns im Endstadium des Prozesses«, so der Politologe Francisco Fonseca gegenüber dem Radiosender Conexão BdF.
Der Wissenschaftler hält eine harte Haftstrafe für notwendig. »Wenn Bolsonaro am Ende mit Hausarrest davonkommt, ist das eine Beleidigung für die Millionen Armen, die wegen Kleindelikten hinter Gittern sitzen«, sagt er. Auch eine Flucht ins Ausland sei nicht ausgeschlossen – Bolsonaro habe schon mehrfach versucht, sich mit Unterstützung aus dem Ausland der Justiz zu entziehen. Sein seit Februar in den USA lebender Sohn Eduardo sei »Teil einer antidemokratischen Konspiration«, erklärte die regierende Arbeiterpartei (PT). Am Montag stellte die PT einen Antrag, ihm wegen Verstoßes gegen die nationale Souveränität das Abgeordnetenmandat im Kongress zu entziehen. Die Initiative unter der Leitung von PT-Senator Humberto Costa wirft ihm unter anderem Einflussnahme auf die von Donald Trump angekündigten Strafzölle vor.
Parallel zur juristischen Aufarbeitung war der wirtschaftliche Konflikt zwischen den USA und Brasilien eskaliert. Donald Trump kündigte neue Zölle in Höhe von zehn Prozent auf die meisten Exportprodukte sowie 50 Prozent auf Stahl und Aluminium an, was das Land hart treffen würde. Denn Brasilien ist nach Kanada und Mexiko der drittgrößte Exporteur dieser Metalle in die USA. Trumps Drohungen werden in Brasília auch als Retourkutsche aus ideologischer Verbundenheit empfunden. Bolsonaro hatte sich stets als »Tropen-Trump« inszeniert. Nun versuche das Original offenbar, seine wirtschaftliche Macht zugunsten des angeschlagenen Verbündeten einzusetzen, heißt es. Der US-Präsident hatte die Zölle unlängst selbst mit dem Vorgehen der brasilianischen Justiz gegen Bolsonaro begründet.
Doch Brasilien wehrt sich. Als Reaktion unterzeichnete Präsident Lula da Silva am Montag ein Dekret zur Anwendung des bereits im April vom Parlament verabschiedeten sogenannten »Gesetzes zur Handelsreziprozität«, das Gegenmaßnahmen bei einseitigen Handelsbeschränkungen anderer Länder gegen Brasilien ermöglicht. Das Dekret sieht unter anderem die Bildung eines interministeriellen Ausschusses vor, der Verhandlungen überwachen soll und vorläufige Gegenmaßnahmen verhängen kann. Ziel sei es, »Brasiliens Souveränität zu schützen und Verstöße gegen internationale Handelsabkommen zu ahnden«.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Ueslei Marcelino/REUTERS13.06.2025
Unschuldslamm Bolsonaro
- Diego Vara/REUTERS26.11.2024
Bolsonaro drohen 68 Jahre Haft
- Lev Radin/IMAGO07.11.2024
Auftrieb für Lateinamerikas Ultrarechte
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Bergbauriese BHP muss blechen
vom 17.07.2025