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Aus: Ausgabe vom 19.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Krieg in Zivil

Krankenhäuser planen Zivilverteidigung Gastkommentar
Von Bernhard Winter
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Flecktarn unterm Weißkittel: Bundeswehr-Sanitäter

Auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit nehmen Politiker und Militärs forciert das zivile Leben ins Visier. Die Phase des Mindsettings, also der Versuch einer Konditionierung der Bevölkerung zur Akzeptanz von Kriegen als politisches Mittel, ist weit vorangeschritten. Es wird jetzt ergänzt von einem verstärkten Eingriff in das zivile Leben. Appelle an die Bevölkerung, sich für Krisenzeiten ausreichend mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen, kommen noch relativ schlicht daher. Etwas anderes ist es aber, wenn chronisch klamme Kommunen von den Landesregierungen aufgefordert werden, Strukturen der Zivilverteidigung sicherzustellen.

Am vergangenen Donnerstag hat Berlin als erstes Bundesland den geheimen »Rahmenplan zivile Verteidigung Krankenhäuser« vorgelegt, der kontinuierlich aktualisiert werden soll. An seiner Ausarbeitung waren zivile Organisationen wie die Berliner Krankenhausgesellschaft und auch die Bundeswehr beteiligt. Laut der Pressemitteilung der Senatsverwaltung werden darin Szenarien für die Aufrechterhaltung der Krankenhausversorgung in »Krisenzeiten« durchgespielt. Bei der dargestellten Stärkung der »Krisenresilienz« erfolgt eine bewusste Vermengung von Katastrophenschutz im Rahmen von Naturkatastrophen, zivilen Großschadensereignissen und ähnlichem mit Zivilschutz im Krieg. Das Vorgehen bei den jeweiligen Szenarien ist allerdings grundverschieden. Im Krieg entscheidet letztlich immer das Militär nach seinen Maßgaben. Die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra lässt die Bevölkerung im unklaren, wie intensiv die Bundeswehr bereits in die Planungen des Gesundheitswesens für Friedenszeiten eingebunden ist. Sie hält es allerdings für unabdingbar, dass die Aufgaben der zivilen Verteidigung »in der Krankenhausreform stärker berücksichtigt werden«. Dies lässt nichts Gutes erahnen. Zu befürchten ist, dass sich zukünftige Krankenhausplanungen noch weiter von den realen Bedürfnissen der Bevölkerung entfernen. Der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft Marc Schreiner »will klug und mit Weitsicht« die Herausforderungen der zivilen Verteidigung bewältigen. Es ist zu bezweifeln, dass er sich bei den Beschäftigten der Krankenhäuser, die teilweise bereits jetzt bis an den Rand der Erschöpfung arbeiten, erkundigt hat, ob dies überhaupt möglich ist.

Letztlich dient das Konzept der zivilen Verteidigung der Aufrechterhaltung einer Illusion: dass nämlich ein Krieg führbar, beherrschbar oder gar gewinnbar sein und dass menschliches Leid mit Hilfe des Gesundheitswesens gering gehalten werden könne. Die einzige Möglichkeit, Leid und Tod durch Kriege zu verhindern, ist die Friedenssicherung.

Dr. med. Bernhard Winter ist Vorstandsmitglied des Vereins demokratischer Ärzt*innen (VDÄÄ*)

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