Leere Lehrerstellen
Von Kristian Stemmler
In Baden-Württemberg hat eine Computerpanne dafür gesorgt, dass Hunderte Lehrerstellen 20 Jahre lang unbesetzt blieben, obwohl Geld für die Posten im Haushalt eingeplant war. Wie Kultus- und Finanzministerium am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten, sind mutmaßlich Programmierfehler im Personal- und Stellenprogramm der Kultusverwaltung im Jahr 2005 dafür verantwortlich, dass aktuell 1.440 Lehrerstellen nicht besetzt sind. Der Fehler sei über die Jahre unbemerkt geblieben und erst durch ein Update des Verwaltungsprogramms »Dipsy« aufgefallen.
Das Programm hatte vor 20 Jahren eine Vorgängersoftware ersetzt. Derzeit sei davon auszugehen, heißt es in der Mitteilung, dass »bereits bei der Datenübertragung 2005 ein Fehler passiert sein muss«. Weitere Faktoren wie etwa die Umstellung auf einen anderen Tarifvertrag hätten »mutmaßlich zu einem Anwachsen der fehlerhaften Ist-Zahlen« geführt. Nach Schätzung des Ministeriums kamen jedes Jahr 80 bis 100 Stellen dazu, die als belegt ausgewiesen wurden, obwohl sie tatsächlich frei blieben. Mit einem neuen Programm seien die freien Stellen jetzt erstmals komplett neu ermittelt worden.
Steuergeld sei durch die Panne nicht verloren gegangen, erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums gegenüber dpa. Etwa 110 bis 120 Millionen Euro hätten die nicht besetzten Stellen im Jahr gekostet, diese Mittel seien aber schlicht nicht abgeflossen. Das sei angesichts eines milliardenschweren Haushalts nicht weiter aufgefallen, so der Sprecher.
Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte am Donnerstag abend gegenüber dem SWR, es müsse »mit Volldampf« aufgearbeitet werden, warum die IT-Panne so lange unbemerkt habe bleiben können. Die unbesetzten Stellen sollen jetzt so schnell wie möglich gefüllt werden. Gestärkt werden sollen vor allem die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Die Landtagsfraktionen SPD und FDP haben laut eigenen Angaben für die kommende Woche eine Sondersitzung des Bildungsausschusses beantragt. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte ebenfalls am Donnerstag, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei nicht auszuschließen.
Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, erklärte schon am Mittwoch, dass die Gewerkschaft seit über 20 Jahren auf den Mangel an Lehrkräften hinweise. Es sei »bitter für die Kolleginnen und Kollegen, nun zu erfahren, dass unzählige Überstunden und Krankheitsvertretungen hätten vermieden werden können, wenn das Land seine Aufgaben sorgfältig ausgeführt hätte«.
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